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Im Land des weiten Himmels

Im Land des weiten Himmels

Titel: Im Land des weiten Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Wolfe
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ziehen, dicht über den Bäumen, die weiter südlich den Fluss säumten, zu drehen und dem Fluss nach Norden zu folgen. Er flog nicht besonders hoch, blieb knapp über den Baumkronen und erschreckte einige Indianer, die in ihren Kanus unterwegs waren.
    In der gleichen Höhe flogen sie am Sommercamp der Indianer vorbei. Frank schaukelte zum Gruß mit den Tragflächen und legte eine Ehrenrunde ein, als er sah, wie die Bewohner des Dorfes aus ihren Häusern und Zelten kamen und aufgeregt zum Ufer rannten. Noch waren Flugzeuge kein alltäglicher Anblick in Alaska, zumindest nicht in diesen entlegenen Dörfern. Hannah blickte nach unten und erkannte den weißhaarigen Häuptling, der misstrauisch zu ihnen heraufblickte, sah Männer und Frauen die Fäuste recken oder winken, sie wusste nicht genau, was es war, und einige Kinder begeistert auf der Stelle hüpfen. Den Indianern, die noch nie ein Flugzeug gesehen hatten, mochte die knallrote Maschine wie eine Abgesandte der bösen Geister vorkommen. Ihr wurde beinahe schlecht bei dem Gedanken, und sie nahm sich vor, nach einer guten Erklärung zu suchen, bevor sie Chief Alex gegenübertrat.
    Hinter dem Indianerdorf zog Frank die Maschine weiter nach oben und flog über die Ausläufer der White Mountains hinweg nach Westen. Hannah blickte staunend nach unten und erfreute sich am Anblick der urwüchsigen Natur, hätte Frank am liebsten gebeten, den Motor abzuschalten, um die Wildnis in vollkommener Stille genießen zu können, nur begleitet von dem Wind, der auch an diesem sonnigen Tag aus Norden wehte und kühle Luft aus der Tundra mitbrachte. Stattdessen röhrte der Motor mit unverminderter Lautstärke, immerhin ein Zeichen dafür, dass sie sicher in der Luft lagen.
    Zwei dunkle Flecke neben einem kleinen See weckten ihre Neugier. Sie beugte sich aus dem Cockpit, um besser sehen zu können, und sah ein mächtiges Tier, wahrscheinlich einen Grizzly, am Ufer stehen. Der zweite Fleck war ein Mensch, keine dreißig Schritte von dem Grizzly entfernt. Sie drehte sich um und deutete aufgeregt nach unten. »Ein Bär!«, rief sie. »Da ist jemand in Gefahr!«
    Frank beugte sich ebenfalls aus dem Cockpit und drückte die Maschine nach unten. Mit röhrendem Motor brausten sie abwärts, nicht so steil wie beim Sturzflug in Central City, aber immer noch so rasant und schnell, dass Hannah angst und bange wurde. Nur sagte sie diesmal nichts. In Baumhöhe fing Frank die Jenny ab und flog mit gedrosseltem Motor über den Boden.
    Hannah stockte der Atem, als sie erkannte, wie groß die Bestie war. Drohend hatte sich der Bär aufgerichtet, die Vorderpranken ausgestreckt, den Rachen mit den gelben Reißzähnen weit aufgerissen. Sie glaubte, sein Brüllen sogar über das Motorengeräusch zu hören. Wenige Schritte von ihm entfernt stand Adam Parker, ohne Waffe, nicht einmal mit einem Messer. Es schien so, als wollte er sich gar nicht gegen den Grizzly verteidigen. Oder hatte ihn dessen Anblick in Erstarrung versetzt? Er rührte sich jedenfalls nicht von der Stelle, blickte ihm scheinbar furchtlos und mit ausgestreckten Armen entgegen.
    Frank brauste im Tiefflug über die beiden hinweg, störte den Grizzly, der aufgeregt mit den Pranken nach der Jenny schlug, sich aber nur für einen Augenblick ablenken ließ und sofort wieder seiner vermeintlichen Beute zuwandte. Während Frank die Maschine nach oben zog und in eine steile Linkskurve ging, um möglichst schnell wieder den Bären ins Visier nehmen zu können, blickte Hannah unverwandt nach unten und erkannte, dass Adam mit dem Grizzly sprach, ihn mit Worten zu beruhigen versuchte. Er schien nicht die geringste Angst vor der aufgebrachten Bestie zu haben. Ein alter Indianertrick? Wollte er dem Bären zeigen, dass er keine lohnenswerte Beute war?
    In der Kurve, die Hannah kaum aus der Ruhe brachte, obwohl die linken Tragflächen beinahe senkrecht nach unten zeigten, verlor sie Adam und den Grizzly für ein paar Sekunden aus den Augen, dann erschienen sie erneut in ihrem Blickfeld, und sie beobachtete mit offenem Mund, wie sich der Bär dicht vor Adam auf alle viere fallen ließ, ohne jegliche Drohgebärden zu ihm aufblickte und langsam davontrottete. Adam stand noch an derselben Stelle wie vorher, und sie glaubte, ein Lächeln auf seinem Gesicht zu sehen.
    Sie drehte sich um und wechselte einen Blick mit Frank, der ebenso verblüfft war wie sie und nicht zu wissen schien, was er von der seltsamen Szene zu halten hatte. Er flog über den Grizzly, der

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