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Im Land des weiten Himmels

Im Land des weiten Himmels

Titel: Im Land des weiten Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Wolfe
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gesehen?«, rief Frank in den Wind.
    Sie schreckte aus ihren Gedanken hoch und blickte nach vorn. Die White Mountains, eben noch in respektvoller Entfernung, waren plötzlich zum Greifen nahe, weiß schimmernde und in den schattigen Regionen mit Schnee gepuderte Kalksteinriesen. Die Sonne, im Westen nur als heller Schimmer hinter einer dünnen Wolkendecke zu erkennen, zauberte geheimnisvolles Licht auf die steilen Felswände. Zarte Dunstschleier hingen über den Bergspitzen. Ein schmaler Fluss, der sich durch die tiefen Täler schlängelte, glitzerte silbern.
    »Der Beaver Creek«, rief Frank nach vorn. »Halt dich fest, den sehen wir uns aus der Nähe an!«
    Er senkte die Nase der Jenny und schob den Steuerknüppel nach vorn, ließ sie gefährlich nahe an den Felsen vorbei in die Tiefe gleiten. Vor Hannah, die vorne saß und beinahe das Gefühl hatte, im freien Fall nach unten zu stürzen, tat sich das Tal, in das sie hinabstießen, wie ein riesiger dunkler Schlund auf, wirkte plötzlich bedrohlich. Der Fluss kam rasend schnell näher. Nicht so schnell, wollte sie Frank zurufen, wusste aber inzwischen längst, was für ein erfahrener und guter Pilot er war und wie genau er Entfernungen abschätzen konnte.
    Zu ihrer Überraschung landete Frank auf dem Fluss, ein riskantes Unterfangen, wenn man bedachte, dass aus dem Wasser ragende Felsen die Maschine beschädigen konnten. Aber Frank blickte seitlich aus dem Cockpit, während er landete, hatte sich außerdem einen besonders ruhigen Abschnitt ausgesucht. Mit einer mustergültigen Landung setzte er auf dem Wasser auf. »Na, wie hab ich das gemacht?«, rief er begeistert, als sie langsamer wurden und mit der Strömung trieben. Sie drehte sich um und lächelte ihn an. »Ist das nicht einmalig hier? Hier macht das Fliegen mehr Spaß als über den Weizenfeldern von Kansas und Nebraska.«
    Hannah blickte sich staunend um. Kalksteinberge ragten zu beiden Seiten des Flusses empor, und das Sonnenlicht fand nur den Weg ins Tal, weil der Fluss dahinter eine scharfe Biegung machte und eine Bresche in das schroffe Gebirge schlug. Die White Mountains waren lange nicht so überwältigend wie die Alaska Range und der Mount McKinley, die sogar das Woolworth Building in New York übertrafen, beeindruckten aber mit zerklüfteten Felsformationen und kahlen, im Sonnenlicht schimmernden Hängen und schmalen Wäldern aus Schwarzfichten, die sich als dunkle Streifen gegen die hellen Felswände abhoben. Hier gab es keine mächtigen Gipfel, sondern ein Labyrinth von Bergen, Felsformationen und Hügeln, das noch verwirrender als das Straßennetz von New York auf Hannah wirkte. Sie musste schmunzeln, als sie diese wunderbare Wildnis mit der Riesenstadt am Atlantik verglich, ein Vergleich, der immer hinken musste, war das eine doch urwüchsige Natur, das andere ein von Menschenhand erschaffener Moloch.
    Sie ließen sich mit der Strömung treiben. Am nördlichen Ufer hingen die Fichten weit über das Wasser und verdeckten zwei Elche, die mit den Vorderbeinen im Wasser standen und sich am Gestrüpp labten, das ebenfalls dort wuchs. Das eine der Tiere trug ein mächtiges Geweih auf dem Kopf. Der Motorenlärm schien die beiden nicht zu stören.
    »Nun sieh dir diese Prachtkerle an!«, rief Frank. »Solche Riesenbiester hab ich nicht mal in den Rocky Mountains in Wyoming und Montana gesehen!«
    Hannah strahlte. »Ich weiß schon, warum ich nach Alaska gegangen bin.«
    »Weil du wusstest, dass ich nachkomme?«
    »Weil mir hier nicht ständig die Männer nachlaufen!«
    Frank startete lachend die Maschine. Mit Vollgas fegten sie über den ruhigen Fluss und hoben kurz vor der Biegung ab. In einer weiten Kurve stiegen sie zwischen den zerklüfteten Felsen nach oben, emporgetragen von dem stetigen Wind, der den Doppeldecker auch inmitten der Bergwildnis stabil in der Luft hielt. Wie ein Adler kam sich Hannah vor, ein mächtiger Adler, der mit ausgebreiteten Schwingen über den Bergen kreiste und stolz auf sein weites Reich hinabblickte. Es gab viele dieser stolzen Raubvögel in Alaska, hier lebte das Wappentier der Vereinigten Staaten, und doch würden sie sich den Himmel in Zukunft mit Piloten wie Frank teilen müssen. Das hatte sogar in einem Artikel des News-Miner gestanden, den sie in Fairbanks überflogen hatte.
    Die Jenny drehte nach Westen und hielt auf einige schneebedeckte Bergspitzen zu. Wie kostbare Diamanten glitzerten die Schneekristalle im schwachen Sonnenlicht. Waren sie die Ersten, die über

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