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Im Land des weiten Himmels

Im Land des weiten Himmels

Titel: Im Land des weiten Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Wolfe
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einen Elch am anderen Ufer zu beobachten. Das kräftige Tier mit dem gewaltigen Schaufelgeweih verschwand erst, als der Lastkahn auf gleicher Höhe war und der Anlegestelle entgegentrieb. Zwei junge Männer sprangen an Land und vertäuten den Kahn am Pfosten, nahmen ihre Wollmützen ab und begrüßten sie mit einem schüchternen Kopfnicken.
    »Miss Hannah, nehme ich mal an«, rief ein hagerer Mann in einem dunklen, etwas abgetragenen Anzug und offenem Mantel. »Ich bin J. B., der Kapitän dieses Überseedampfers, und freue mich, Sie kennenzulernen.« Sein schmales Gesicht mit den dunklen Augen und den eingefallenen Wangen erinnerte sie an die Fotografie eines amerikanischen Präsidenten, an den Namen konnte sie sich nicht erinnern. »Ich habe einen Brief von Mrs Waechter für Sie, der Chefin des Palace Hotel in Fairbanks. Sie sagt, er wäre sehr wichtig.«
    »Mrs Waechter? Eranie Waechter?« Sie nahm den Brief und öffnete ihn erwartungsvoll. In dem Umschlag befanden sich etliche Dollarnoten. Mit wachsendem Erstaunen las sie: »… habe ich bei der Bank für Sie gebürgt und dafür gesorgt, dass man Ihnen den gewünschten Kredit genehmigt. Anbei ein kleiner Vorschuss. Ich weiß, dass Sie mich nicht enttäuschen werden. Auch wenn Ihr Onkel nicht zurückkehren sollte, was ich nicht hoffe, werden Sie sich meines Vertrauens als würdig erweisen. Bitte unterzeichnen Sie den beiliegenden Vertrag, und geben Sie ihn dem Kapitän. Ich freue mich schon auf unser nächstes Wiedersehen und verspreche Ihnen, kräftig die Werbetrommel für Ihr Roadhouse zu rühren …«
    »Gute Nachrichten?«, fragte der Kapitän.
    »Und ob«, erwiderte sie freudestrahlend. »Mein Kredit wurde genehmigt. Sonst hätten Sie wohl kaum eine so stattliche Ladung für mich an Bord …« Sie sah, wie zwei junge Männer ein Bett abluden und rief: »Die Betten und Matratzen kommen in die leeren Zimmer im ersten Stock. Alles andere können Sie in der Küche abstellen.« Sie steckte den Brief in die Tasche und wandte sich an den Kapitän. »Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Hannah Stocker. Sie und Ihre Männer haben doch sicher nichts gegen ein spätes Frühstück einzuwenden, Elchschinken und Brötchen.«
    »Das klingt verlockend, Miss Hannah.« Der Kapitän stieg an Land und blieb auf dem Holzsteg stehen. »Schwester Becky lässt sich übrigens entschuldigen, ihre Kollegin ist krank, und der Doktor wollte sie nicht gehen lassen. Sie haben jetzt einen neuen Arzt, der hat wenig übrig für die Indianer. Er meint, Sie, Miss Hannah, könnten nach den Indianern sehen, natürlich nur, wenn es Ihre Zeit erlaubt. Sie haben doch sicher Aspirin im Haus … Das soll gegen alles helfen.«
    »Sicher«, erwiderte sie und dachte gleichzeitig daran, wie wichtig die regelmäßigen Besuche der Krankenschwester für die Indianer waren, nicht nur wegen ihrer medizinischen Kenntnisse. »Aber ich halte es, ehrlich gesagt, für ziemlich unverantwortlich, die Indianer so im Regen stehen zu lassen. Was, wenn jemand ernsthaft erkrankt? Soll ich dann etwa auch Aspirin geben?«
    Der Kapitän sah die Lage weniger dramatisch. »Ach, machen Sie sich da mal keine Sorgen. Diese Wilden sind zäh, viel zäher als wir Weißen. Vor dreißig Jahren gab es weder Fairbanks noch Tanana und erst recht kein Krankenhaus. Damals mussten sie auch ohne Krankenschwester auskommen.«
    »Ich weiß nicht«, sagte sie zweifelnd. Hatte Chief Alex nicht berichtet, dass erst die Weißen bösartige Krankheiten wie die Pocken ins Land gebracht hatten? Sie beschloss das Thema zu wechseln, auch um nicht daran denken zu müssen, was Chief Alex dazu sagen würde. Ob er das Fernbleiben von Schwester Becky als erstes Anzeichen für die Rückkehr der bösen Geister betrachten, Hannah dafür verantwortlich machen und erneut ihre Abreise fordern würde? War alles Werben um gute Nachbarschaft vergeblich gewesen?
    »Ich bin mit Schwester Becky befreundet. Würden Sie ihr einen schönen Gruß ausrichten, wenn Sie wieder nach Fairbanks kommen?«, bat sie, um sich abzulenken.
    »Sicher, Miss Hannah.«
    »Wofür steht eigentlich J. B.?«, fragte sie.
    »Jeremiah Bartholomew«, erklärte er widerwillig, »aber ich kann beide Namen nicht leiden. Ich werde nie verstehen, was sich meine Eltern dabei gedacht haben.« Er stellte ihr den einzigen Passagier seines Lastkahns vor, der ihnen zum Haus gefolgt war, einen untersetzten Mann mit unruhigen Augen und geröteten Wangen. Er trug einen Anzug, der ihm etwas zu

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