Im Land des weiten Himmels
Fluss hinaus.
Um sich abzulenken, setzte sie sich auf die Veranda und las eine Geschichte in ihren Ranch Romances . Wenn der Kummer groß war, brauchte man etwas Kitsch. Ein hübsches Cowgirl geriet in die Gewalt skrupelloser Viehdiebe, wurde vom Sohn eines reichen Ranchers befreit und feierte ein Happy End in den Armen ihres Retters. Die Geschichte tat wenig, um Hannah aufzuheitern, im Gegenteil, das glückliche Ende trieb ihr erneut die Tränen in die Augen.
Sie warf das Magazin auf den Boden und versuchte es mit Hausarbeit, putzte die Küche und machte sich schließlich daran, einen Kuchen zu backen. Einen Peach Pie, der ihr trotz der trüben Gedanken, die sie beim Backen hatte, perfekt gelang. Weil sie nicht wusste, ob Bären und Wölfe auch Pfirsichkuchen mochten und sie auf Nummer sicher gehen wollte, deckte sie ihn mit einem Tuch zu und stellte ihn in den Küchenschrank.
Trotz des verlockenden Duftes, der ihr während des Backens in die Nase gestiegen war, ließ sie auch das Abendessen ausfallen. Ein Glas Milch, weil sie noch so schön frisch und kalt war, genügte vollkommen. Sie brauchte lange, um einzuschlafen, schreckte mehrmals hoch, weil sie glaubte, das Motorengeräusch der Jenny gehört zu haben, und schlief erschöpft wieder ein. Am nächsten Morgen wachte sie wie gerädert auf und brauchte eine geschlagene Stunde zum Waschen und Anziehen. Mehrmals spritzte sie sich kaltes Wasser ins Gesicht, aber viel munterer wurde sie deswegen auch nicht.
Noch immer schläfrig und beinahe wie in Trance setzte sie Kaffeewasser auf. Sie brachte dem Husky sein Fressen und frisches Wasser und blickte misstrauisch zu den Bergen hinüber. Über den zerklüfteten Felsen standen dunkle Wolken. Kühler Wind drückte das Gras nieder, und sie hatte den Eindruck, als wäre ein Teil der bunten Wildblumen bereits verschwunden. In Alaska gibt es nur zwei Jahreszeiten, hatte sie Einheimische sagen gehört, den langen Winter und die paar Tage, die woanders Sommer hießen. »Ich glaube, heute bekommen wir Regen«, sagte sie zu dem Husky. »Was meinst du, Captain?«
Aber der Hund war viel zu sehr mit seinem Fressen beschäftigt, hielt nur kurz inne, als hätte er etwas gehört oder gewittert. Sie tätschelte ihm den Rücken und ging ins Haus.
Als sie den Gastraum betrat und den alten Häuptling an einem der Tische sitzen sah, erschrak sie. »Chief Alex! Mein Gott, hast du mich erschreckt!«
»Ich bin zurückgekommen. Dein Kaffee war gut.«
»So ist das also«, erwiderte sie lächelnd, »du bist nur wegen meines Kaffees hier.« Sie schloss die Tür hinter sich und blickte ihn amüsiert an. »Und wenn ich keinen Kaffee kochen könnte? Wärst du dann auch gekommen?«
»Dann auch. Es duftet nach Kuchen.«
Sie musste lachen. »Sag bloß, du riechst meinen Kuchen bis in euer Sommercamp? Ich nehme an, du bleibst zum Frühstück.«
Jetzt lächelte auch der Indianer.
»Dann komm. Wir essen in der Küche.«
Der Kaffee war etwas stärker als beim letzten Mal, aber auch süßer, und der Kuchen schmeckte so gut, dass der Häuptling ein zweites Stück verspeiste und sie nur schweren Herzens darauf verzichtete. Zu viel Süßes ist nicht gut für eine Frau, hatte ihre Mutter sie manchmal gewarnt, ehe du dich’s versiehst, passen dir deine Kleider nicht mehr und die Männer gehen dir aus dem Weg. Aber das war hier draußen in der Wildnis Hannahs geringstes Problem. Erstens gab es hier keine Männer, und zweitens hatten die ungewohnte Arbeit und die viele Bewegung Hannahs Körper sehniger und fester werden lassen.
Chief Alex spülte den letzten Bissen mit einem Schluck Kaffee hinunter und stopfte bedächtig seine Pfeife. Mit einem Streichholz entzündete er den Tabak. Er machte einen zufriedenen Eindruck, doch seine Worte bewiesen eher das Gegenteil: »Ich habe dich in dem Flugzeug gesehen. Bringt der weiße Mann, mit dem du geflogen bist, die bösen Geister in unser Tal zurück?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein … Er löst den Postreiter ab. Mit dem Flugzeug erreichen euch die Briefe und Päckchen schneller.«
»Wir bekommen wenig Post.« Er lächelte.
»Vielleicht kommt auch Schwester Becky mit dem Flugzeug. Und wenn jemand in eurem Dorf ernsthaft krank würde, könnte man ihn mit dem Flugzeug ins Krankenhaus nach Fairbanks oder Tanana bringen. In einer knappen Stunde wärt ihr da.« Sie fühlte einen gewissen Stolz, ihm die Neuigkeit mitteilen zu dürfen. »Im Winter müssen wir uns ein wenig länger gedulden, da wird Buddy
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