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Im Land des weiten Himmels

Im Land des weiten Himmels

Titel: Im Land des weiten Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Wolfe
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eng geworden war, und einen altmodischen Derby-Hut. Sein Mantel war so eng, dass er ihn nur noch offen tragen konnte. »Übrigens, darf ich Ihnen Mr Pearlman vorstellen? Mr Pearlman möchte eines Ihrer Zimmer mieten. Er ist Biologe und interessiert sich für die hiesige …«
    »… Flora und Fauna«, ergänzte der Passagier. Er verbeugte sich ungelenk und versuchte ein Lächeln, das ihm misslang. »Horatio W. Pearlman. Ich würde mich freuen, wenn Sie mich aufnehmen könnten. Ich habe bereits einen Piloten beauftragt, mich in drei Tagen wieder abzuholen.«
    »Einen Piloten? Frank Calloway?«
    »Nein. Einen Mr Bannister.«
    Hannah verzog entsetzt das Gesicht, fing sich aber sofort wieder. »Natürlich …, gern«, sagte sie, »damit sind Sie der erste zahlende Gast in diesem Roadhouse. Allerdings muss ich Sie bitten, sich noch ein wenig zu gedulden, bis die neuen Möbel im Haus sind und ich das Bett bezogen habe.« Sie lächelte höflich. »Wenn Sie es sich so lange im Gastraum bequem machen wollen?«
    Die jungen Männer brauchten eine knappe Stunde, um die Betten, die kleinen Kommoden und die Kisten und Säcke mit dem Geschirr, dem Besteck und den reichhaltigen Vorräten ins Haus zu schaffen. Auch zwei schwarze Hühner waren geliefert worden, die Hannah sofort in den Verschlag am Haus trug und mit Grünzeug und Wasser versorgte. Dann prüfte sie die Rechnung und ließ sich den Betrag von J. B. quittieren. Sie bat die Männer an die Tische und servierte ihnen Biskuits mit Elchschinken, beides großzügig bemessen, und starken Kaffee. »Geht aufs Haus«, sagte sie, »lassen Sie es sich schmecken!«
    Während die Männer aßen, richtete sie das Zimmer für ihren ersten Gast her. Sie bezog das Bett mit den frischen Decken und Laken, die sie bestellt hatte, und legte Seife und Handtuch auf die Kommode mit der neuen Waschschüssel. Von dem frischen Wasser, das sie in einem Eimer in der Küche stehen hatte, schüttete sie einen Teil in die Schüssel. Durchs Fenster beobachtete sie, wie ihr Husky sich auf dem Lastkahn umsah, neugierig an einigen Kisten schnüffelte und wieder an Land sprang und sich um seine Löcher kümmerte.
    Als sie in den Gastraum zurückkehrte, schickten sich der Kapitän und seine beiden Gehilfen gerade zum Gehen an. J. B. bedankte sich überschwänglich für das gute Essen und versprach, die Kunde von ihrem neuen Roadhouse in ganz Alaska zu verbreiten. »Es war mir ein Vergnügen, Miss Hannah.«
    Hannah teilte ihrem Gast mit, dass sein Zimmer bezugsfertig sei, und brachte die drei Schiffer zur Anlegestelle. Begleitet von ihrem Husky winkte sie ihnen zum Abschied zu. Als sie zum Haus zurückkehrte und zum Waldrand hinüberblickte, sah sie Chief Alex bei den Bäumen stehen.

26
    »Und ich dachte schon, ich müsste in einem Zelt übernachten«, sagte Horatio W. Pearlman, während Hannah ihm Kaffee nachschenkte. Er stand am Fenster und blickte auf den Wald und die dahinter aufragenden Berge. »Ich hätte nie vermutet, dass es in dieser gottverlassenen Gegend ein Rasthaus gibt.«
    »Roadhouse«, verbesserte ihn Hannah. »In Alaska sagen wir ›Roadhouse‹. Unsere Straßen sind die Flüsse und die Trails der Indianer und Fallensteller. Es gibt bewirtschaftete Roadhouses und leere Blockhütten, die jedem Reisenden offen stehen. Ohne sie wäre man hier draußen in der Wildnis verloren.«
    »Alaska.« Es klang ein wenig abfällig. »Was treibt eine Frau wie Sie in dieses einsame Land? Hier gibt es doch weit und breit keine Stadt, die diesen Namen wirklich verdient.« Er wandte sich vom Fenster ab und griff nach seinem Kaffeebecher. »Ich hab mir sagen lassen, Sie kommen aus New York.«
    »Das stimmt«, erwiderte sie, »aber ich wollte immer in die Natur hinaus. Geht es Ihnen nicht auch so? Gibt es irgendeinen anderen Ort, an dem Sie sich der Schöpfung näher fühlen? Nicht einmal in einer Kathedrale wie dem Ulmer Münster hatte ich dieses Gefühl. Ich bin in Deutschland aufgewachsen.« Sie stellte die Kaffeekanne auf den Tisch. »Sie müssen die Natur doch auch mögen, wenn Sie Biologe sind.«
    »Sicher … Die Flora und Fauna sind mein Spezialgebiet. Aber in der Gegend, aus der ich komme, ist das Land lange nicht so wild und ungestüm wie hier … Nicht mal in den Sierras. Da habe ich nie das Gefühl, mich von der Zivilisation entfernt zu haben. Selbst wenn ich mal eine Nacht im Zelt schlafen muss, weiß ich, dass ich Städten wie Seattle oder San Francisco nahe bin. Hier blicke ich nach Norden …« Er

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