Im Licht des Mondes: Roman (German Edition)
hatte er auch nicht sonderlich danach gestrebt. Er hatte seine Ziele verfolgt und bestimmte Dinge herausgefunden,
und derartige Ambitionen gestatteten nicht den Luxus der Einsamkeit.
Er hatte nicht gewusst, dass sein Bedürfnis nach ruhigem Alleinsein so stark war, fast so stark wie sein Bedürfnis, Mia wiederzufinden. Einst hatte er beides, wann immer er es brauchte. Und einst hatte er beides weggeworfen. Die Insel, die er als junger Mann so schnell und überstürzt verlassen hatte, war dabei, es ihm zurückzugeben.
Er hätte es genossen, durch den Wald zu streifen oder runter zum Strand zu gehen. Oder, dachte er, zu dem alten Haus zu fahren, zu seinen Felsen, seiner Höhle, wo er und Mia … Er wischte diese Idee und diese Erinnerungen beiseite. Es war nicht die richtige Zeit für Sentimentalitäten.
Es gab praktische Dinge, um die er sich kümmern musste. Telefone, Faxgeräte, Computer. Der kleine Schlafraum müsste ausreichen als Zweitbüro, da er hauptsächlich im Hotel arbeiten würde. Er brauchte Vorräte – und wusste, sobald er sie im Ort einkaufte, würde sich die Neuigkeit seiner Rückkehr in Windeseile verbreiten.
Das tangierte ihn aber nicht weiter.
Er betrat sein Haus, um auszupacken und sich einzurichten.
Gut meinende Freundinnen, dachte Mia, waren sowohl ein Segen als auch ein Fluch. Momentan saßen zwei von ihnen in ihrem Büro.
»Ich denke, du solltest ihn in den Arsch treten«, befand Ripley. »Das habe ich natürlich schon vor zehn Jahren gedacht.« Elf, korrigierte Mia im Stillen. Elf Jahre, aber wer zählt schon nach?
»Das würde ihn nur aufwerten.« Nell streckte ihre Nase in die Luft. »Sie tut besser daran, ihn zu ignorieren.«
»Du ignorierst keinen Blutegel.« Ripley bleckte ihre Zähne. »Du reißt ihn ab und zerstampfst ihn zu Matsch.«
»Was für eine hübsche Vorstellung.« Mia lehnte sich zurück hinter ihrem Schreibtisch und betrachtete ihre beiden Freundinnen. »Ich habe weder die Absicht, Sam in den Arsch zu treten, noch ihn zu ignorieren. Er hat einen Mietvertrag über sechs Monate für das Cottage, was mich zu seiner Vermieterin macht.«
»Du könntest ihm das heiße Wasser abstellen«, schlug Ripley vor.
Mias Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. »So wunderbar kindisch – und dennoch befriedigend – das sein könnte, habe ich trotzdem nicht die Absicht, alberne Streiche zu spielen. Wenn ich das täte, würde ich das Wasser ganz abdrehen – nicht nur das warme. Jedenfalls«, fuhr sie fort, als Ripley laut lachte, »er ist mein Mieter, und das bedeutet, dass er ein Anrecht auf alles hat, was im Vertrag steht. Das ist Geschäft und nichts anderes.«
»Warum zur Hölle mietet er überhaupt etwas auf den Drei Schwestern für sechs Monate?«, fragte Ripley.
»Offensichtlich ist er hier, um sich persönlich um das Magick Inn zu kümmern.«
Er hat es immer geliebt, grübelte Mia. Oder hatte es jedenfalls geglaubt. Trotzdem hatte er es im Stich gelassen, so wie er sie im Stich gelassen hatte.
»Wir sind beide erwachsen, beide Geschäftsleute, beide Insulaner. Und obgleich es eine kleine Welt hier ist, denke ich, dass wir beide unsere Geschäfte tätigen können, unser Leben leben und uns gegenseitig ertragen können, ohne viel Aufhebens darum zu machen.«
Ripley schnaubte. »Wenn du das glaubst, bist du im Irrtum.«
»Ich lasse ihn nicht wieder in mein Leben.« Mias Stimme wurde schärfer. »Und ich lasse mir mein Leben nicht durcheinanderbringen, weil er hier ist. Ich wusste immer, dass er zurückkommen würde.«
Bevor Ripley etwas sagen konnte, warf Nell ihr einen warnenden Blick zu. »Du hast recht, natürlich. Und da die Saison bald beginnt, werdet ihr beide so viel zu tun haben, dass ihr euch nicht in die Quere kommen werdet. Warum kommst du nicht heute Abend zum Essen? Ich probiere ein neues Rezept aus und könnte ein fachmännisches Urteil gebrauchen.«
»Das bekommst du von Zack. Es gibt keinen Grund, mich zu bemuttern und zu betüteln, kleine Schwester.«
»Warum gehen wir nicht alle aus, betrinken uns und hetzen über Männer im Allgemeinen?«, haute Ripley in dieselbe Kerbe. »Das macht immer Spaß.«
»So verlockend das klingt, ich muss passen. Ich habe einiges zu erledigen zu Hause, wenn ich meine Arbeit hier beendet habe.«
»Sie möchte uns loswerden«, teilte Ripley Nell mit.
»Das ist bei mir angekommen.« Nell seufzte. Es war hart, dachte sie, wenn man so gerne helfen wollte und nicht wusste, wie. »In Ordnung, aber wenn
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