Im Licht des Mondes: Roman (German Edition)
es irgendetwas gibt, was du brauchst oder möchtest …«
»Ich weiß. Mir geht es gut, und ich werde dafür sorgen, dass das so bleibt.«
Sie geleitete sie hinaus, und dann setzte sie sich, legte ihre Hände in ihren Schoß und saß einfach nur da. Sie hatte sich selbst belogen, indem sie sich einredete, arbeiten zu müssen, oder sich einredete, sie könnte diesen speziellen Tag betrachten wie jeden anderen.
Sie hatte ein Recht darauf, zu rasen und zu weinen, dem
Schicksal ins Gesicht zu spucken und mit ihren Fäusten zu traktieren.
Aber sie würde nichts dergleichen tun, nichts derlei Nutzloses. Sie würde trotzdem nach Hause gehen. Sie stand auf, griff nach ihrer Handtasche und dem leichten Jackett, das sie heute angezogen hatte. Und als sie an ihrem Fenster vorbeiging, sah sie ihn.
Er stieg aus einem schicken, schwarzen Ferrari, sein schwarzer Mantel umhüllte ihn. Er hatte immer schon hübsche Spielzeuge gemocht, dachte sie. Er hatte seine Jeans gegen einen dunklen Anzug getauscht. Er hatte sein Haar gekämmt, obgleich der Wind es schon wieder zerzauste. Wie früher ihre Finger.
Er trug einen Aktenkoffer und ging auf das Magick Inn zu, wie ein Mann, der genau wusste, wohin er wollte und was er wollte.
Dann drehte er sich um und richtete seinen Blick unfehlbar auf die Stelle, wo sie stand. Seine Augen hielten ihre fest, und sie fühlte den Ruck, den Hitzestoß, der früher ihre Knie zum Wackeln gebracht hatte.
Aber dieses Mal stand sie aufrecht und unbeweglich. Nach geraumer Weile, als ihr Stolz es zuließ, trat sie zurück vom Fenster und aus seinem Blickfeld.
Ihr Haus tat ihr wohl. Hatte es immer getan. Im Prinzip war das weitläufige Haus auf den Klippen zu groß für eine Frau. Aber es war, das wusste sie, genau das Richtige für sie. Schon als sie noch ein Kind war, gehörte das Haus mehr ihr als ihren Eltern. Ihr hatten die vielen Echos, das gelegentlich Zugige oder die viele Zeit, die die Pflege eines Hauses dieser Größe und dieses Alters in Anspruch nahm, nie etwas ausgemacht.
Ihre Vorfahren hatten es erbaut, und nun gehörte es ihr allein. Sie hatte wenig geändert, seit sie sich allein um das Haus kümmerte. Die Möblierung hier und da, einige Farben, einige notwendige Modernisierungen in der Küche und den Bädern. Aber es fühlte sich an, als ob das Haus schon immer zu ihr gehörte. Beschützend, warm, erwartend.
Es hatte eine Zeit gegeben, in der sie sich vorgestellt hatte, hier eine Familie zu gründen. Gott, wie sehr hatte sie sich Kinder gewünscht. Sams Kinder. Aber im Laufe der Jahre hatte sie, akzeptiert, was war und was nicht war, und sich ein warmes Nest gebaut.
Manchmal dachte sie an ihre Gärten als ihre Kinder. Sie hatte sie geschaffen, hatte sich die Zeit genommen, sie zu pflanzen, zu ernähren, zu erziehen. Und sie hatten ihr Freude geschenkt.
Und wenn sie mehr brauchte als das sanfte Vergnügen, das sie bereiteten, hatte sie die Leidenschaft und das Drama ihrer Klippen, oder die Geheimnisse und Schatten ihres Waldes.
Sie hatte, versicherte Mia sich selbst, alles, was sie brauchte. Und dennoch dachte sie jetzt nicht daran, sich an ihren Blumen zu erfreuen oder die See von den Klippen aus zu betrachten. Sie wanderte auch nicht in ihren Wald. Stattdessen ging sie direkt nach oben, ständig weiter treppauf, bis sie im Turmzimmer war.
Hierher hatte sie sich schon als Kind zurückgezogen, hier war ihre Zuflucht, und hier hatte sie ihre Entdeckungen gemacht. Hier hatte sie sich noch nie allein gefühlt, es sei denn, sie wollte sich so fühlen. Hier hatte sie gelernt, ihre strahlende Macht zu disziplinieren.
Die Wände waren rund und die Fenster hoch, eng und gebogen. Die späte, blassgoldene Nachmittagssonne fiel
durch sie auf den dunklen alten Holzfußboden. Regale standen an den Wänden, und es gab viele Werkzeuge, die sie für ihre unterschiedlichen Zwecke benutzte. Töpfe mit Kräutern, Schalen mit Kristallen. Zauberbücher, die denen gehört hatten, die vor ihr da waren, und die, die sie selbst geschrieben hatte. In einem alten Sekretär gab es noch etwas anderes. Einen Zauberstab, den sie sich selber aus Ahornholz, abgeschnitten an Samhain, geschnitzt hatte, als sie sechzehn geworden war. Ein Besen, ihr bester Kelch, ihre älteste Sichel und eine blassblaue Kristallkugel. Außerdem Kerzen, Öle, Weihrauch und ein Spiegel.
Alles dies und noch mehr war sorgfältig zusammengetragen worden.
Sie nahm sich, was sie brauchte, und schlüpfte aus ihrem Kleid. Sie zog es
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