Im Licht des Mondes: Roman (German Edition)
eine Königin geworden.
Sie war immer schon das schönste Wesen, das er jemals gesehen hatte. Die Verwandlung vom Mädchen zur Frau hatte diese Schönheit noch unterstrichen. Ihr Haar war so, wie er es erinnerte, ein langes Gewirr flammender Locken um ein Gesicht wie Milch und Rosen. Diese Haut, erinnerte
er sich, war sanft wie Tau. Ihre Nase war schmal und gerade, ihr Mund groß und voll. Und er erinnerte sich, erinnerte sich ganz genau, seiner Form und seines Geschmacks. Ihre Augen waren rauchgrau, mandelförmig, und sie betrachteten ihn nun kühl forschend.
Sie lächelte, und zwar ebenfalls kühl, als sie auf ihn zuging. Ihr Kleid, ein mattes Gold, umschmiegte sie, ließ lange, sehr lange Beine ahnen. Die hochhackigen Schuhe, die sie trug, hatten den gleichen Ton und vervollständigten den feurigen Ausdruck. Aber er fühlte keine Wärme von ihr ausgehen, als sie eine Braue hob und ihn ebenfalls studierte.
»Na, wen haben wir denn da? Sam Logan? Willkommen daheim.«
Ihre Stimme war tiefer, ein klein wenig tiefer als früher. Glutvoller, rauchiger, seidiger. Sie schien ihn im tiefsten Inneren zu treffen, obgleich er verwirrt war wegen ihres höflichen Lächelns und der damit einhergehenden Begrüßung.
»Danke.« Er fiel bewusst in ihren Tonfall ein. »Es ist gut, wieder zu Hause zu sein. Du siehst großartig aus.«
»Man tut, was man kann.«
Sie warf ihr Haar zurück. Sie trug Bernstein-Ohrringe. Die Einzelheiten von ihr, bis zu den Ringen an ihren Fingern, die gepflegte Aura, die sie umgab, waren ihm deutlich bewusst. Einen Moment lang versuchte er, ihre Gedanken zu lesen, musste aber frustriert feststellen, dass sie in einer ihm fremden Sprache geschrieben waren.
»Ich mag deine Buchhandlung«, sagte er, darum bemüht, gelassen zu klingen. »Jedenfalls das, was ich bisher davon gesehen habe.«
»Nun, wir werden dir die große Besichtigungstour angedeihen lassen. Lulu, du hast Kunden.«
»Ich weiß, was ich habe«, murrte Lulu. »Es ist ein ganz
normaler Arbeitstag, oder? Du hast keine Zeit, den hier herumzuführen und ihm alles zu zeigen.«
»Lulu.« Mia bewegte kaum die Hand, eine sanfte Warnung. »Ich habe immer ein paar Minuten für einen alten Freund. Komm rauf, Sam, sieh dir das Café an.« Sie ging voraus, glitt mit ihrer Hand über das Geländer. »Du hast vielleicht gehört, dass ein gemeinsamer Freund von uns, Zack Todd, letzten Winter geheiratet hat. Nell ist nicht nur eine enge Freundin von mir, sondern auch eine spektakuläre Köchin.« Sam legte eine Pause ein auf der Treppe. Es störte ihn, dass er um seine Fassung ringen musste, seine Balance suchen musste. Ihr Anblick warf ihn schlicht um.
Der zweite Stock mit dem verführerisch belebten Café und den Gerüchen – Gewürze, Kaffee, Schokolade, die es umgaben – war genauso einladend wie der erste.
Eine beeindruckende Auswahl von Backwaren und Salaten stand hinter einem blinkenden Glastresen. Wohlriechende Düfte entströmten einem großen Topf, aus dem gerade eben eine hübsche Blondine einem wartenden Kunden Suppe auffüllte.
Die weiter hinten liegenden Fenster gaben den Blick frei auf das Meer.
»Es ist unglaublich.« Das, immerhin, brachte er noch gerade eben heraus. »Einfach unglaublich, Mia. Du musst sehr stolz auf dies alles sein.«
»Warum auch nicht?«
Angesichts des leicht scharfen Tonfalls wandte er sich um, aber sie lächelte nur, winkte ihn mit einer eleganten Bewegung ihrer ringgeschmückten Hand an den Tresen. »Hungrig?«
»Mehr als ich gedacht habe.«
Ein Hauch der Schärfe trat für einen winzigen kleinen
Moment in ihre rauchgrauen Augen, bevor sie sich abwandte und zum Tresen ging. »Nell, hier habe ich einen Mann mit großem Appetit.«
»Dann ist er genau am richtigen Ort.« Nell lächelte und zeigte ihre Grübchen, richtete ihre blauen Augen freundlich auf Sam. »Unsere Tagessuppe ist Curryhuhn. Das Salatangebot ist Shrimps à la Diablo, und das Tagessandwich ist Schweinebraten und Tomaten auf Olivenbrot. Und natürlich unser normales vegetarisches Angebot«, fügte sie hinzu, indem sie auf die Speisekarte tippte.
Zacks Frau, dachte Sam. Es war eine Sache, zu begreifen, dass der älteste Freund in festen Händen war, eine andere, den Grund dafür zu sehen. Es gab ihm einen zusätzlichen Stoß.
»Eine ziemliche Auswahl.«
»Wir finden, das sollte so sein.«
»Du kannst nichts Falsches wählen, solange Nell es zubereitet hat«, versicherte Mia ihm. »Ich überlasse dich jetzt ihren fähigen
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