Im Licht des Vergessens: Roman (German Edition)
brachte. »Ich will diese Möglichkeit auch gar nicht ganz außer Acht lassen. Ich werde mit den entsprechenden Leuten reden, und zwar gleich morgen früh.«
»Ich kann hier übernachten. In irgendeinem Gästezimmer oder auf dem Sofa.«
»Das ist nett von dir. Aber ich möchte nicht, dass sich hier irgendjemand, und schon gar nicht meine Mutter, Sorgen machen muss. Sie reißt sich sehr zusammen. Erst dieser Überfall auf mich und dann diese Schießerei, das waren harte Schläge für sie. Ich glaube nicht, dass sie die letzten Tage im Garten war. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass ihr das auch noch genommen wird.«
Duncan betrachtete sein Glas und nahm noch einen großen Schluck Wein. »Ich glaube, ich habe zu viel getrunken. Ich fürchte, ich kann nicht mehr fahren. Als Ordnungshüterin und meine Gastgeberin solltest du mich dringend davon abhalten.«
Diese unglaublich blauen Augen sahen sie mit festem Blick an. »So einfach ist das, Phoebe, wenn du nur willst.«
»Ich weiß nicht, wie Männer darauf kommen, dass Frauen sich und ihr Zuhause nicht selbst verteidigen können.«
Er lächelte nur. »Muss ich dir wirklich erklären, welche Macht ein Penis hat – so kurz nachdem du das am eigenen Leib erleben durftest?«
Sie gab nach. »Du kannst im Zimmer von Steve – von Avas Sohn – übernachten. Aber wenn es dir nichts ausmacht, werden wir nicht sagen, dass du zu viel getrunken hast. Es ist einfach spät geworden, und da war es praktischer, hier zu übernachten, als die lange Fahrt nach Hause anzutreten.«
»Von mir aus. Darf ich dich etwas fragen, was mich eigentlich gar nichts angeht?«
»Solange ich darauf antworten kann, dass dich das nichts angeht, gern.«
»Macht Essie irgendeine Therapie?«
»Früher hat sie das«, sagte Phoebe und seufzte. »Da es selbst bei einer Agoraphobikerin nicht einfach ist, einen Therapeuten zu finden, der ins Haus kommt, fand die Therapie überwiegend am Telefon statt. Eine Zeit lang gab es wöchentliche Telefonsitzungen, sie hat auch Medikamente genommen. Wir dachten, sie macht Fortschritte.«
»Aber?«
»Ihr Therapeut hat sie dazu ermutigt, das Haus zu verlassen. Nur für zehn Minuten, irgendwohin, wo sie sich auskennt. Er hat ihr den Forsythe Park vorgeschlagen. Sie sollte nur zum Brunnen laufen und wieder zurück. Sie hat es bis zum Brunnen geschafft und dort eine Riesenpanikattacke bekommen. Sie bekam einfach keine Luft mehr und fand nicht mehr zurück. Ich war ihr nachgegangen, aber da sie schon beinahe aus meinem Blickfeld verschwunden war, brauchte ich ein wenig, bis ich bei ihr war.«
Sie konnte sich noch immer daran erinnern, an ihre verängstigte, verwirrte Mutter, daran, wie ihr das Herz schmerzhaft gegen die Rippen schlug, als sie über Kopfsteinpflaster und Gras bis zu ihr rannte.
»Sie rang nach Luft und lief los. Sie ist gestürzt. Es war furchtbar für sie. Die Leute wollten ihr helfen, aber das machte ihr nur noch mehr Angst, erniedrigte sie noch mehr.«
»Das tut mir leid.«
»Ich hab sie nach Hause gebracht. Ich hab sie festgehalten, ihr gesagt, sie soll die Augen zumachen. Seitdem hat sie sich nur noch bis in den Garten gewagt. Das ist jetzt vier Jahre her. Anschließend wollte sie nichts mehr von einer Therapie wissen. In dieser Hinsicht ist sie sehr stur.« Phoebe lächelte kurz. »Im Haus geht es ihr gut. Dort fühlt sie sich wohl. Ich weiß nicht, ob das richtig ist, aber wir lassen sie in Ruhe.«
»Und das muss fürs Erste reichen. Was heute richtig erscheint, muss morgen noch lange nicht richtig sein. Man sollte immer tun, was sich im Moment richtig anfühlt.«
Nachdem sie ihm gezeigt hatte, wo er schlafen konnte, eine Zahnbürste und frische Handtücher für ihn aufgetrieben hatte, dachte sie immer noch über seine Worte nach.
Das, was heute richtig ist, muss morgen noch lange nicht richtig sein – wohl wahr. Und manchmal denkt man, dass etwas richtig ist, was sich später als falsch herausstellt. Trotzdem ist es ein notwendiger Schritt auf dem richtigen Weg. Sie wusste nicht, ob das mit Duncan richtig oder falsch war, aber sie hatte sich in ihn verliebt.
Jetzt blieb ihr nichts anderes übrig, als herauszufinden, was richtig war, und sich dementsprechend zu verhalten. Zumindest für den Moment.
Ein großer Vorteil, in einem reinen Frauenhaushalt aufzuwachen, war, dass es Frühstück gab, dachte Duncan.
Ava bereitete das Frühstück zu, was sie anscheinend jeden Tag tat. Aber weil Herrenbesuch da war, deckte Essie
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