Im Mond des Raben
mich zu groß?«, fragte er in einem verführerischen weichen Tonfall, der sie bis ins Innerste berührte.
Zum ersten Mal in ihrem Leben fehlten ihr die Worte, als Erinnerungen an seinen prachtvollen nackten Körper vor ihrem inneren Auge aufblitzten.
»Nun ja, ich würde Euch jedenfalls nicht als klein bezeichnen«, gelang es ihr mit einem Anschein von Gelassenheit zu sagen.
»Unser Laird ist größer als alle anderen Krieger in den Highlands.« Brigits aufrichtige Freude darüber offenbarte sich in ihrem strahlenden Gesicht und ihrer Stimme.
»Bis auf meinen Zwillingsbruder.«
»Ihr habt einen Zwillingsbruder?«, fragte Brigit beeindruckt.
Es gab zwei von ihnen? Sabrine wurde ganz schwindlig bei der Vorstellung.
»Aye. Niall nahm meinen Platz als Stellvertreter des Sinclair-Lairds ein, als ich von dort fortging.«
»Ist er auch so schön wie Ihr?«, wollte Brigit wissen und errötete dann heftig.
»Obwohl er eine schlimme Narbe von einem Kampf zurückbehalten hat, findet … die Frau, die er liebt, ihn attraktiver als mich, und das ist das Einzige, was zählt.« Dass Nialls Lebenspartner ein Mann war, tat hier nichts zur Sache. Deshalb erwähnte Barr es nicht.
Brigits weit aufgerissene Augen verrieten ihre Faszination.
»Als wir noch viel jünger waren, wurde unser Clan von einer Frau verraten, die uns mit ihrem Leben hätte beschützen müssen.«
»Dann glaubt Ihr also, dass auch Frauen Kriegerinnen sein können?«, fragte Brigit mit ehrfurchtsvoller Stimme.
»Nein. Doch sie sollten, falls nötig, für ihren Clan kämpfen und sich selbst verteidigen können.«
Obwohl Sabrine mit dem ersten Teil seiner Erklärung nicht einverstanden war, war Barrs Einstellung doch fortschrittlicher als die des Mannes, der den Clan der Donegals vor ihm geführt hatte.
»Dann werdet Ihr also auch die Frauen unterrichten?«, vergewisserte Brigit sich in hoffnungsvollem Ton.
Bevor Barr antworten konnte, klopfte es an der Tür.
»Herein.«
Die Tür ging auf. Verica trat ein, dicht gefolgt von einem dunkelhaarigen Krieger, der etwa im gleichen Alter wie Barr zu sein schien. Von seiner Statur her war er fast so groß wie der Laird, und er hatte auch einen ähnlich grimmigen Gesichtsausdruck. Beide waren Männer, mit denen Sabrine nicht gern aneinandergeraten würde; vielleicht war auch Rowland klug genug, nicht ihren Zorn zu wecken.
Ein zweiter, viel jüngerer Mann kam hinter dem ersten herein. Die Ähnlichkeit dieses Jünglings mit Verica war unverkennbar; sie reichte bis hin zu seinem schwarzen Haar mit den fast burgunderroten Strähnen. Auch er war ein Rabe und Gestaltwandler mit der Fähigkeit, sich in zwei verschiedene Tiere zu verwandeln.
Sabrine schwirrte der Kopf, als ihr diese ungeheuerliche Erkenntnis kam. Was für ein seltsamer Clan waren diese Donegals? Auf jeden Fall waren sie völlig anders als alles, was sie erwartet hatte, von ihrem neuen Laird bis hin zu ihren Gestaltwandlern mit der besonderen Veranlagung, sich in zwei völlig verschiedene Tiere verwandeln zu können.
Sabrine hatte nicht gewusst, dass Raben unter den Faol überlebt hatten, und nun, da sie von ihrer Existenz erfuhr, musste sie viele Annahmen ihrer Leute hinterfragen.
Während der Wolfsgeruch des Jünglings, der Circin sein musste, ihn einhüllte wie eine Decke, lag nicht die kleinste Spur seiner Rabennatur in der Luft um sie herum. Was Sabrines Annahme zu bestätigen schien: Die Wölfe waren sich der Gegenwart der Éan oder Raben unter ihnen nicht bewusst. Sabrine musterte Circin prüfend, um nach irgendeinem Hinweis darauf zu suchen, was seine besondere Chrechte-Gabe sein könnte.
Sabrines außerordentliche Fähigkeit war, die Wahrnehmung anderer zu verändern, was nicht einmal für andere Raben leicht erkennbar war. Sie hatte sie im Wald genutzt, um ihre Clan-Tätowierung – einen blauen Raben auf ihrem Rücken und einen Dolch darunter, der für ihre Rolle als Beschützerin ihrer Leute stand – vor Barr und seinen Begleitern zu verbergen.
Wenn sie einen Gefährten nähme, würde als Symbol der Hoffnung für ihre gemeinsame Zukunft der Tätowierung noch eine blühende Ranke hinzugefügt werden. Sabrine hatte jedoch nicht vor, sich dieses Zeichen jemals in die Haut stechen zu lassen.
Circin musterte sie genauso prüfend wie sie ihn, während der andere Fremde, der Earc sein musste, seine Aufmerksamkeit auf Verica konzentrierte.
Die Heilerin gab sich die größte Mühe, so zu tun, als bemerkte sie es nicht, aber die Verbindung
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