Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead
sein.« Sie gingen jetzt einen Hang hinauf und um eine dicke, verdrehte Eiche herum. »Die Dorfbewohner meinten, hier müsse es Kobolde geben: schrille Schreie im Dunkeln und so.«
»Wohl eher Landarbeiter aus der Umgebung«, meinte Rebus.
Sie nickte zustimmend. »Jedenfalls fingen sie an, kleine Opfergaben hierzulassen. Daher der Name.« Sie fuhr herum und schaute ihn an. »Sie als einziger Schotte weit und breit wissen bestimmt, was clootie bedeutet, oder?«
Er hatte plötzlich das Bild seiner Mutter vor Augen, wie sie den Kloß aus dem Topf hob. Den Kloß, der in ein Tuch gewickelt war …
»Stoff«, antwortete er.
»Und Kleidung«, ergänzte sie, als sie auf eine weitere Lichtung kamen. Sie blieben stehen, und Rebus holte tief Luft. Feuchter Stoff … feuchter, verrottender Stoff. Schon seit einer Weile hatte er diesen Geruch in der Nase. Den Geruch, den Kleider früher in seinem Elternhaus verströmt hatten, wenn sie nicht gelüftet worden waren und von Feuchtigkeit und Schimmel befallen wurden. Die Bäume um sie herum hingen voller Lumpen und Stoffreste. Manche Stücke waren auf den Boden gefallen, wo sie zu Mulch verfaulten.
»Es ist überliefert«, sagte Siobhan leise, »dass sie als Glücksbringer hier zurückgelassen wurden. Halte die Kobolde warm, und sie werden dafür sorgen, dass dir kein Leid widerfährt. Einer anderen Theorie zufolge ließen Eltern früh verstorbener Kinder etwas zum Gedenken an sie hier.« Ihre Stimme klang plötzlich belegt, und sie räusperte sich.
»So dünnhäutig bin ich nicht«, versicherte ihr Rebus. »Sie können ruhig Wörter wie ›Gedenken‹ benutzen – ich breche nicht gleich in Tränen aus.«
Wieder nickte sie. Rebus ging um die Lichtung herum. Unter den Füßen Laub und weiches Moos, das Geräusch von Wasser, einem kleinen Rinnsal, das aus der Erde quoll. Kerzen und Münzen säumten seinen Rand.
»Ziemlich mickrige Quelle«, war sein Kommentar.
Sie zuckte nur mit den Schultern. »Ich war schon eine Weile hier … konnte mich nicht mit der Atmosphäre anfreunden. Aber dann bemerkte ich einige der neueren Kleider.« Rebus sah sie auch. An den Ästen aufgehängt. Ein Umhängetuch, ein Blaumann, ein rotes, getupftes Taschentuch. Ein fast neuer Turnschuh mit baumelnden Schnürsenkeln. Sogar Unterwäsche und etwas, das einer Kinderstrumpfhose glich.
»Herrgott, Siobhan«, murmelte Rebus, der nicht so recht wusste, was er sonst sagen sollte. Der Geruch schien stärker zu werden. Wieder stieg eine Erinnerung in ihm auf: Er musste an eine zehntägige Sauftour vor vielen Jahren denken. Als er wieder nüchtern gewesen war, hatte er festgestellt, dass eine ganze Ladung Wäsche in der Maschine darauf gewartet hatte, aufgehängt zu werden. Beim Öffnen der Tür war ihm genau dieser Geruch entgegengeschlagen. Er hatte alles noch einmal gewaschen, dann aber doch wegwerfen müssen. »Und die Jacke?«
Sie streckte den Finger aus. Rebus ging langsam auf den entsprechenden Baum zu. Das Stück Nylon war auf einen kurzen Ast aufgespießt worden. Es schwang leicht im Wind. Der Rand war ausgefranst, das Logo jedoch unverkennbar.
»CC Rider«, sagte Rebus wie zur Bestätigung. Siobhan fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Er wusste, dass sie Fragen hatte, über die sie sich die ganze Zeit, während sie auf ihn wartete, den Kopf zerbrochen hatte. »Und was machen wir jetzt?«, erkundigte er sich.
»Das ist ein Tatort«, begann sie. »Die Spurensicherung ist schon auf dem Weg von Stirling hierher. Wir müssen das Gelände absichern, die Gegend nach Beweismitteln durchkämmen. Wir müssen die alte Mordkommission zusammenrufen, mit der Haustürbefragung in der Umgebung beginnen …«
»Einschließlich Gleneagles?«, unterbrach Rebus. »Sie sind die Expertin, Sie können mir sicher sagen, wie oft das Hotelpersonal schon überprüft worden ist. Und wie wir mitten in einer einwöchigen Demonstration eine Haustürbefragung durchführen sollen. Die Absicherung des Tatorts dürfte dagegen kein Problem sein, bei all den Geheimdiensttruppen, die wir bald hier begrüßen werden …«
Natürlich hatte sie diese Punkte auch bedacht. Das wusste er und fragte nicht weiter.
»Wir lassen nichts darüber verlauten, bis der Gipfel vorbei ist«, schlug sie vor.
»Verlockend«, gab er zu.
Sie lächelte. »Nur weil es Ihnen einen Vorsprung verschafft.«
Ein Augenzwinkern verriet ihr, dass sie recht hatte.
Sie seufzte. »Macrae müssen wir einweihen. Und er wird die Kollegen aus Tayside
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