Im Namen des Kreuzes
Gebäck. »Nehmen Sie ein Nusshörnchen. Die sind von mir.«
Schwarz biss anstandshalber ein Stück ab und nickte anerkennend. »Selbst gebacken, Respekt. Was für ein Mensch war Pfarrer Heimeran denn?«
Frau Kammer sah ihn an, als hätte sie ihn gerade erst bemerkt.
»Ich muss mir ein Bild von ihm machen, verstehen Sie?«
»Mei, wenn ich das Fotoalbum noch hätte, aber das hat auch die Schwester mitgenommen.«
Schwarz nickte ihr aufmunternd zu.
»Also, er war groß, blond … sportlich, humorvoll … gebildet.«
Schwarz unterdrückte ein Schmunzeln. Offenbar wagte die Frau es nicht, sich über den Charakter des Priesters auszulassen.
»War er gesellig?«
»Nein, dazu war er zu beschäftigt. Aber für Menschen, die etwas auf dem Herzen hatten, hat er sich immer Zeit genommen.«
Das war Schwarz zu schwammig. Er versuchte, sich vorsichtig dem anzunähern, was ihn eigentlich interessierte.
»War er bei den Jugendlichen beliebt?«
»Sehr sogar.« Das kam spontan.
Er überlegte, ob er es riskieren durfte, das Verhältnis zwischen dem Pfarrer und Matthias anzusprechen. Die Haushälterin schien arglos zu sein.
»Frau Sass hat erzählt, dass Pfarrer Heimeran im Leben ihres Sohnes eine wichtige Rolle gespielt hat.«
»Das kann man wohl sagen. Der Matthias war ja sein Lieblingsministrant und der jüngste Gruppenleiter, den wir in St. Meinrad je hatten. Er ist hier ein- und ausgegangen, als wäre er bei uns zu Hause.«
Schwarz stellte zufrieden fest, dass er beim Thema angelangt war. Jetzt musste er nur darauf achten, die Frau nicht mit delikaten Fragen in Verlegenheit zu bringen. Am liebsten hätte er sich natürlich gleich erkundigt, ob der Junge auch im Pfarrhof übernachtet hatte, aber darauf verzichtete er lieber.
»Matthias ist ja vaterlos aufgewachsen. Kann man sagen, dass der Pfarrer für ihn eine Art Ersatzvater war?«
»Auf jeden Fall. Aber auch umgekehrt. ›Matthias wird mal mein Nachfolger‹, hat er immer erklärt. Und das hat geklungen, wie wenn bei uns daheim ein Bauer sagt: ›Der Bub übernimmt mal den Hof‹.«
»Sie sind vom Land?«
Sie lächelte verlegen. »Aus der Oberpfalz.«
Schwarz brach noch ein Stück von dem Nusshörnchen ab. Jetzt nahm sich auch Frau Kammer eines. »Die haben dem Matthias auch immer so gut geschmeckt.«
»Zum Frühstück?«, sagte Schwarz ganz nebenbei und beobachtete aus dem Augenwinkel die Reaktion der Haushälterin.
»Wenn er bei der Frühmesse ministriert hat, habe ich ihn manchmal hinterher eingeladen.« Sie lächelte unschuldig.
»Wissen Sie noch, wann er zum letzten Mal hier war?«
Die Farbe wich aus ihrem Gesicht. »Hat Frau Sass drüber gesprochen?«
»Über was?«
»Ja … wie soll ich es sagen …?«
Schwarz half ihr bewusst nicht.
Sie holte Luft. »Irgendwas muss passiert sein, ich weiß nicht, was. Jedenfalls ist der Matthias von einem Tag auf den anderen nicht mehr zu uns gekommen. Das war schon vor ungefähr drei Jahren.«
»Und Sie haben keine Vermutung, was der Grund gewesen sein könnte?«
Sie schüttelte den Kopf und schob nervös die Krümel auf dem Tisch zu einem Häufchen zusammen.
»Frau Sass hat Glaubenszweifel bei ihrem Sohn erwähnt.«
»Über die hätte er doch mit dem Herrn Pfarrer reden können. Sie haben über alles gesprochen. Ich weiß noch, einmal sind sie mit dem Bus aus dem Ministrantenlager zurückgekommen, da hat der Herr Pfarrer gesagt, er muss jetzt seine Bücher aus dem Studium wieder rausholen, weil der Matthias ihm so viele kritische Fragen stellt.«
»Was war das für ein Lager?«
»Das Pfingstlager. Unsere Ministranten sind jedes Jahr nach Steinsberg gefahren.«
Schwarz horchte auf. Steinsberg war doch der Ort, aus dem Heimeran Matthias die Postkarte geschickt hatte.
»Kennen Sie das Kloster St. Joseph nicht, Herr Schwarz?«
Er schüttelte den Kopf.
»Jetzt gehört es irgendeinem anderen Orden, aber bis vor drei Jahren waren da die Benediktiner. Vor zwei Jahren sind unsere Ministranten noch mal hingefahren, aber da haben sie im Garten vom Pfarrhof zelten müssen.«
Das Telefon klingelte. Frau Kammer entschuldigte sich und eilte zum nebenan gelegenen Büro. Sie ließ die Tür offen und Schwarz konnte mithören.
»Herr Dekan Wels, grüß Gott.«
Dann sprach nur noch der Anrufer und ließ ihr kaum Zeit für ihre auffallend unterwürfigen Antworten.
»Der Herr Dekan«, sagte Frau Kammer verlegen, als sie wieder am Tisch Platz nahm.
Schwarz hätte sie gern gefragt, um was es bei dem Telefonat
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