Im Namen des Kreuzes
gegangen war, aber er wollte das erworbene Vertrauen nicht aufs Spiel setzen.
»Ich kann mir vorstellen, dass es für den Pfarrer ein großer Schock war, als er von Matthias’ Tod erfahren hat.«
»Ja, das war ganz schlimm für ihn.«
»Hat er mit Ihnen darüber gesprochen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Aber ich habe es ihm angesehen.«
»Er hat kein Wort dazu gesagt?«
»Kein privates. Ich war hier immer nur die Mitarbeiterin, die den Haushalt und das Büro macht. Ich glaube schon, dass der Herr Pfarrer mich geschätzt hat, aber anvertraut hat er sich mir nie.«
»Wem hat er sich denn anvertraut?«
Sie machte eine ratlose Geste.
»Irgendeinem Kollegen vielleicht?«
Sie hob hilflos die Arme. Schwarz sah einen feuchten Schimmer in ihren Augen und begriff, dass sie den Priester zumindest sehr verehrt, wenn nicht sogar heimlich geliebt hatte.
Er wollte Frau Kammer nicht weiter bedrängen, aber würde sie, wenn er jetzt ging, noch einmal so offen sein?
Schwarz legte seine Hand auf ihren Unterarm und sah ihr in die Augen. »Was haben Sie gedacht, Frau Kammer, als Sie von seinem Selbstmord erfahren haben?«
Er spürte, wie es sie durchzuckte.
Ihr Blick ging in die Ferne. »Ich habe es nicht geglaubt.«
»Was? Dass er tot ist?«
»Dass ein Mensch wie der Herr Pfarrer sich umbringt.«
11.
Eva lachte, als sie ihn sah. »Wie siehst du denn aus? Findest du das sexy?«
Schwarz machte eine strenge Miene. »Bitte keinen Spott über den Modegeschmack polnischer Aushilfspriester.«
»Hast du mit einem Kleider getauscht?«
»Genau, er war scharf auf meine löchrige Levis, und ich falle so weniger auf im kirchlichen Milieu.« Er schnupperte. »Hast du gekocht?«
Eva deutete lächelnd zum gedeckten Tisch. An seinem Platz stand ein Bierkrug.
»Ich trinke grundsätzlich kein Bier vor 18 Uhr«, sagte er. »Ich habe viel zu viel Angst, meine Konturen zu verlieren.«
»Nicht, dass du nachtragend wärst, was, Anton? Ich hoffe, du isst vor 18 Uhr Latkes mit Lachs?«
»Reiberdatschi, ja klar.« Schwarz lief das Wasser im Mund zusammen.
»Mach es dir bequem«, sagte Eva.
»Ich bin aber kein Mann, der sich bedienen lässt.«
»Ist auch eine Ausnahme heute«, sagte Eva und fuhr zur Küche, um das Tablett zu holen.
Die Latkes waren zum Niederknien gut. Schwarz erzählte Eva beim Essen von seinem Gespräch mit Frau Kammer. Sie wollte jede Einzelheit hören, und er hatte das Gefühl, dass sie innerlich Protokoll führte. Sie hakte immer wieder nach oder ließ ihn bestimmte Sätze wörtlich wiederholen.
»Hat sie eine Andeutung gemacht, dass der Priester und Matthias vielleicht was miteinander hatten?«
»Nicht die geringste. Und wenn es so war, wäre sie vermutlich die Letzte, die etwas davon mitbekommen hätte.«
»Seltsam«, sagte Eva, »wirklich seltsam.«
»Wieso? Hast du was auf dem Laptop gefunden?«
Sie hob die Schultern. »Erst mal habe ich diesen merkwürdigen Satz gegoogelt: Erklär mir, Liebe .«
Schwarz sah sie fragend an.
»Er stammt aus einem Gedicht.«
»Aha, von wem?«
»Ingeborg Bachmann.« Sie griff nach einen Blatt Papier und las vor: » Dein Hut lüftet sich leis, grüßt, schwebt im Wind, dein unbedeckter Kopf hat’s Wolken angetan, dein Herz hat anderswo zu tun …«
Schwarz blickte versonnen auf ihre vollen Lippen, auf das Dickicht ihrer kastanienbraunen Locken, er versank in ihren blauen Augen.
»… dein Mund verleibt sich neue Sprachen ein, das Zittergras im Land nimmt überhand, Sternblumen bläst der Sommer an und aus, von Flocken blind erhebst du dein Gesicht, du lachst und weinst und gehst an dir zugrund, was soll dir noch geschehen – Erklär mir, Liebe .«
Eva sah vom Text auf und ertappte Anton.
»He, du sollst mich jetzt nicht anschmachten.«
»Ich kann dich doch schön finden und trotzdem aufmerksam zuhören.«
»Dann ist dir sicher nicht entgangen, dass es sich hier um ein Liebesgedicht handelt. Die Botschaft ist also eindeutig.«
» Du weinst und gehst an dir zugrund «, wiederholte Schwarz nachdenklich. » Erklär mir, Liebe .« Er liebte die Bachmann, trotzdem fühlte es sich für ihn seltsam an, dass ein Mann so etwas einem anderen Mann schickte. Aber das behielt er natürlich für sich, um sich nicht erneut den Vorwurf der Homophobie einzuhandeln.
»Mit dem Laptop war es schwieriger«, sagte Eva. »Ich habe ewig rumgedoktert, aber ohne spezielle Software kann ich auch im Backup gelöschte Mails nicht wiederherstellen. Und deine Leitung hier ist ja
Weitere Kostenlose Bücher