Im Namen des Kreuzes
langsam nach hinten kippte, aber er konnte nichts dagegen tun.
Plötzlich lag Frater Dominik über ihm. Er spürte dessen Atem heiß an seinem Ohr. »Gib her!«, keuchte er.
Patrick hatte keine Ahnung, wo der Ball war, aber der Frater griff ihm zwischen die Beine und fummelte an seinem Hintern herum. Er hörte überhaupt nicht mehr auf.
»Los, her mit dem Ball«, rief er, und die anderen lachten wie blöd. Und dann versuchte er tatsächlich, ihm den Finger ins Arschloch zu bohren. Patrick warf sich verzweifelt hin und her.
Plötzlich ließ der Frater ihn los und sprang auf. Jemand hatte »Delegation« gebrüllt. Alle rannten wild durcheinander und drängten zur Tür. Dominik trieb sie zur Eile an. Einer nach dem anderen verschwand im Haus.
Nur Patrick blieb benommen sitzen. Das große Holztor zum Park öffnete sich. Bisher kannte er nur die Wipfel der höchsten Bäume, jetzt sah er einen Brunnen, breite Sandwege und Buchsbaumhecken.
Die Delegation betrat den Hartplatz.
Mehrere größere Jungen in Schuluniform eskortierten Pater Anselm, den Prior und vier Männer, die er noch nie im Haus der Gnade gesehen hatte. Sie trugen dunkle Sakkos und machten würdige Gesichter.
»Hier können sich unsere schwierigen Jungen mal so richtig austoben«, sagte Pater Anselm.
Einer der Männer übersetzte für die anderen. Patrick kannte die Sprache nicht, aber sie klang ein bisschen wie Italienisch. Vielleicht war es ja wahr, dass manche Jungen irgendwann nach Italien oder sogar nach Südamerika durften.
»Deswegen ist der Bolzplatz auch so beliebt«, log der Pater.
Der Übersetzer sagte irgendwas mit Campo de fútbol .
Klingt ja witzig, dachte Patrick. Da kam Frater Dominik auf ihn zugestürzt und riss ihn weg.
13.
Schwarz setzte Eva an der Kirche ab. Sie wollte sich, während er noch einmal mit der Haushälterin sprach, den Friedhof und den Steg ansehen, unter dem Pfarrer Heimerans Leiche gefunden worden war.
Frau Kammer bearbeitete den Rasen vor dem Pfarrhaus mit einem Trimmer. »Wer weiß, ob es für mich hier weitergeht«, sagte sie, »aber ich möchte den Garten auf jeden Fall ordentlich hinterlassen.«
»Ich habe noch was vergessen«, sagte Schwarz.
Sie führte ihn zu einer Bank hinter dem Haus. »Hier ist er oft gesessen«, sagte sie, »hat eine Weißweinschorle mit viel Eis getrunken und gelesen. Am liebsten mochte er Gedichte.«
Ingeborg Bachmann, dachte Schwarz.
»Was wollen Sie denn noch wissen, Herr Schwarz?« Sie sah ihn an. Ihre Lider waren gerötet, wahrscheinlich hatte sie die halbe Nacht geweint.
»Könnten Sie mir schildern, was Pfarrer Heimeran in seinen letzten Stunden gemacht hat?«
»Ja, freilich. Er hat drüben in Moosach eine Sterbemesse gehalten, weil der dortige Pfarrer in Urlaub ist. Dann war er in einem Elektromarkt.«
»Aha?«
»Wir brauchten schon länger eine neue Lautsprecheranlage für die Kirche, aber er hat nichts Günstiges gefunden. Um zwölf habe ich ihn zum Mittagessen erwartet. Er hat sich um zehn Minuten verspätet, aber rechtzeitig angerufen, damit die Kartoffeln nicht verkochen. Es hat Tafelspitz gegeben, im Sommer will er immer was Leichtes – wollte er …«, verbesserte sie sich mit belegter Stimme.
Schwarz hörte ihren umständlichen Ausführungen geduldig zu. Manchmal waren es ja gerade die Nebensächlichkeiten, die einen auf die richtige Spur brachten.
»Nach dem Essen ist der Herr Pfarrer wie immer kurz an seinen Computer gegangen.«
Schwarz horchte auf. »Dürfte ich da mal einen Blick drauf werfen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Den hat auch die Schwester mitgenommen.«
»Aber das geht doch nicht ohne Erbschein.«
»Was hätte ich denn tun sollen, Herr Schwarz? Die Polizei rufen? Steht mir das zu?« Sie machte eine resignierte Geste und fuhr fort. »Es war kurz vor zwei, da hat er bei mir in der Küche vorbeigeschaut. Er hatte ein frisches Hemd angezogen für den Besuch bei der Frau Sass – das habe ich jedenfalls gedacht.«
»Sie wussten von der Einladung?«
»Er hat sie erwähnt, und auch gesagt, dass er vorher noch was erledigen muss.«
»Was denn?«
»Das weiß ich nicht, aber er hat es sowieso verschoben, weil dieser Anruf kam.«
»Ein Anruf?«
»Ja. Am alten Friedhof sind die Stromleitungen ziemlich mürbe, da fliegt ständig die Sicherung raus. Dann funktioniert die Pumpe für das Blumenwasser nicht mehr und die Besucher beschweren sich. Der Sicherungskasten ist im Leichenschauhaus. Wenn kein Bestatter da ist, muss einer von uns
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