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Im Namen Des Schweins

Titel: Im Namen Des Schweins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pablo Tusset
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es dürfte nicht schwer sein, dort Arbeit zu finden. Womöglich auch in der Genossenschaft. Höchstwahrscheinlich allerdings erst nach einiger Zeit. Wenn man erst einmal fest dort etabliert ist. Neuankömmlinge scheinen sich nicht leicht integrieren zu können. Was kann ich sonst noch sagen … Zwei Besonderheiten:
    Erstens, der Drogenkonsum ist bemerkenswert hoch.
    Die Gärtchen zwischen den zwei Hauptstraßen sind wahre Marihuana-Plantagen. Kokain wird sogar auf offener Straße gehandelt, selbst durch unsere Anwesenheit ließen sie sich kaum stören. Zweitens … Das kommt Ihnen vielleicht nebensächlich vor, aber in den zwei Wochen haben wir nicht ein einziges Kind dort gesehen, nicht einmal in den Häusern, in denen wir drinnen waren. Das hat etwas … Beunruhigendes, und ich habe keine Erklärung dafür … Ansonsten wirkt der Ort selbst im schönsten Frühling wie ein Purgatorium. Es gibt nur einen einzigen Radiosender. Der Fernsehempfang ist, wenn überhaupt, schlecht, und die Handys haben nur außerhalb des Ortes Empfang. Dafür muss man ein Stück ins Tal gehen, so dass ich mir nicht einmal vorstellen möchte, was dort los ist, wenn das Dorf im Winter von den Straßen abgeschnitten ist.
    Ich erinnere mich … dass im ›Café unter den Arkaden‹ häufig ein alter Mann sitzt, den sie Beethoven nennen, obwohl er mit seinem Schnurrbart eher aussieht wie Einstein … Schön, jedenfalls erzählte der, dass Guy de Maupassant eine Zeit in San Juan del Horlá verbracht hat, bevor er verrückt wurde … Die Anekdote ist vermutlich alles andere als wahr – ich habe mir mal die Mühe gemacht und die Biografie von Maupassant zur Hand genommen –, aber si non e vero e ben trovato:
    Nichts scheint den Ort besser zu charakterisieren.«
    »Bevor ich es vergesse, will ich noch einmal das Thema Schriftsteller aufgreifen«, Rodero hat das Wort und wendet sich an T. »Wir werden ein paar Fotos von Dir machen müssen, auf denen Du aussiehst wie ein Romanschriftsteller. Außerdem sollten wir Dich mit Quique Aribau zusammenbringen, damit Du Dir ein bisschen was abschauen kannst. Ich habe Dir ja schon von ihm erzählt und könnte mir vorstellen, dass ihr beide euren Spaß daran haben werdet, euch wechselseitig zu studieren … Er soll Dir ein bisschen von seinem Leben erzählen. Ihr könnt auch mal zusammen ausgehen oder einen Ausflug machen oder wozu auch immer Ihr Lust habt. Danach solltest Du aber in der Lage sein, dieselben Dinge zu sagen, die er von sich gibt. Alles klar?!« T nickt geflissentlich. »Und noch eine Sache, die wir nicht vergessen dürfen: Wir brauchen einen Namen für Dich, und wir sollten uns alle so schnell wie möglich daran gewöhnen, Dich so zu nennen. Hast Du irgendeine Präferenz, die nach Schriftsteller klingt?« T setzt ein eher verneinendes Gesicht auf. »Sonst könnten wir nach derselben Methode vorgehen wie Quique … Er nimmt wohl irgendeinen Taufnamen und fügt als Nachnamen einen Straßennamen hinzu. Also los, wer hat Vorschläge …«
    »Fritz Hauptstraße«, lässt der Kommissar mit unverhohlener Ironie fallen, die den meisten allerdings verborgen bleibt, auch wenn sie lachen.
    »Wie wär’s mit ›Alejandro Caspe‹?«, sagt Prades völlig ernst.
    »Der ist gut … Mir fällt ›Gregorio Aragón‹ ein, aber das klingt vielleicht zu ernst. Deine Meinung, T, wäre uns hier wichtig. Letztlich wird es für längere Zeit Dein Name sein.«
    »Keine Ahnung … Ich fände irgendwas mit ›Balmes‹ gut«, sagt T. »Wie findet ihr ›Pedro Balmes‹?«
    Niemand hat etwas dagegen einzuwenden, so dass Rodero verkündet: »Gut, in Ordnung. Von jetzt an bist Du nicht mehr T, sondern P. Sind alle damit einverstanden? … Eine Sache noch«, Rodero greift erneut zum Faserstift, um etwas an die Plastiktafel zu schreiben.

In der Hölle
    P: Kaukasier, männlich, athletisch gebaut, dunkle Augen, dunkle Haare, vierundvierzig Jahre alt. P ist auf den letzten fünfzehn Kilometern der einzige Passagier im Autobus, der die ansteigenden Kurven hinauffährt.
    Es hat begonnen zu dämmern, es regnet sanft, aber ausdauernd. Durch die beschlagenen Scheiben ist das Dunkel eines dichten Waldes zu erkennen. Der Motor wird beim Heranfahren an das mit Farbe beschmierte Straßenschild gedrosselt: San Juan del Horlá. Die Straßenlaternen beleuchten die feuchten Steinfassaden.
    Sie biegen in ein langes, abschüssiges Gässchen, drehen und halten an. Ein Seufzen des Motors ist zu hören. Der Busfahrer fragt mit lauter Stimme

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