Im Namen Des Schweins
P, der noch in seinem Sitz hängt: »Sind Sie sicher, dass Sie nicht lieber mit mir zurückfahren wollen?«
P steht auf und antwortet: »Danke schön: Ich habe einen Knoblauchzopf im Gepäck …«
Der transsilvanische Kutscher lacht. Man hört das hydraulische Knarren der sich öffnenden Türen und P steigt mit seiner Tasche in der Hand aus.
Nebliges Mondlicht, feiner Regen, es riecht nach Brennholz. Es ist kalt. Der Autobus manövriert sich in die andere Richtung und P dreht sich einmal um sich selbst, um sich zu orientieren. Um ihn herum liegt die dunkle Silhouette der Berge. Schmale Spitzen, die alles umfassen. Im Vordergrund: die Kirche, mit dem flachen Kirchturm, der von bläulichen Strahlern angeleuchtet wird und aussieht, als wäre er im Regen geschrumpft. Niemand ist auf der Straße. Drei Fenster sind erleuchtet. Das Motorengeräusch des Autobusses entfernt sich in die Richtung, aus der er gekommen ist.
Dann ist nichts mehr zu hören. Der Regen macht kein Geräusch. So fein ist er. Zur Linken erstreckt sich der Asphalt, der sich in der Umgegend verliert. Zur Rechten stehen unter Arkaden ein paar Tische von einem Lokal. Die Bierwerbung auf dem Schild leuchtet. Beim Näherkommen erahnt P einen Mann, der draußen halb verborgen im Dunkel an einem der Tische sitzt.
Ein dünner Mann um die vierzig mit einer Baseballkappe, kurzen Hosen und Militärstiefeln. Er trinkt Bier und schaut gelangweilt in den Regen. Als P in seiner Nähe ist, grüßt er ihn. Der Typ antwortet nicht, sondern folgt ihm lediglich mit seinem Blick. Kurz bevor P durch die Tür in das Lokal geht, hört es sich so an, als ob er lacht. »Willkommen«, sagt er, ohne dass es nach einer echten Begrüßung klingt.
Man muss zwei Türen hintereinander öffnen, um ins Wirtshaus zu gelangen. Beide Türen sind aus Glas, aber so mit Plakaten beklebt, dass man nicht durch sie hindurchsehen kann. Sobald man durch die zweite Tür ist, erlebt man einen starken Kontrast zur Außenwelt: Licht, Tabakqualm, das Rauschen eines Fernsehers, in dem Fußball übertragen wird, Stimmen mit lokalem Dialekt. Dreißig Augenpaare schwenken hin zu P und unmittelbar wieder zurück auf den grün flackernden Bildschirm. P gibt ein »Guten Abend« von sich, das sich vage an alle richtet, die es ihm von den Lippen ablesen mögen, aber der einzige Blick, der ihm folgt, ist der einer älteren Frau, die hinter der Theke steht. P schiebt sich in die Lücke zwischen zwei offensichtlichen Stammkunden und steht ihr gegenüber:
Um die sechzig dürfte sie sein, gepflegtes Haar, moderner Schnitt, brandyfarbene Augen, hängende Lider, zurückhaltende Schminke. Die Grand Old Lady der Taverne.
P bestellt sich einen Kaffee mit heißer Milch. Die Frau sagt nichts, dreht sich gemächlich um und geht zur Kaffeemaschine. Während P wartet, gabelt er den einen oder anderen Blick der jüngeren Kundschaft auf, der sich dann sofort wieder dem Fernseher zuwendet.
Der Empfang auf dem Bildschirm ist sehr schlecht: Flimmern, Flackern, Futsch. Es spielt ein Team, hinter dem der lokale Patriotismus steht, und es steht in der 34. Minute der ersten Hälfte 0: 0. Lediglich zwei Mädchen sind da, die an den hinteren Tischen sitzen, dicht am lodernden Kaminfeuer, und die aus ihrer Langeweile keinen Hehl machen. Sie scheinen nur aus ehelichem Pflichtgefühl dicht neben ihren jugendlichen Liebhabern zu hocken. Der Schuppen ist sonst nur von Männern bevölkert. Die Jungen im hinteren Teil und die Älteren in den vorderen Reihen vor dem Fernseher. Die Alten haben dunkle Strickjacken und Pullover an. Die Jüngeren sehen aus wie Punks mit ihren leuchtend bunt gefärbten Haaren: in Rot, Orange, Blau.
Eine Ausnahme bildet ein alter Mann mit Schnurrbart, der viel weiter hinten sitzt, als es seiner Generation zusteht. Er hat ein Hemd an, das so weiß ist wie sein Schnurrbart und seine Haare, die nach hinten gekämmt sind. Neben ihm auf dem Tisch liegt ein kleines Täschchen, das mit einem Lederbändchen am Handgelenk hängt. Einstein mit Herrentasche. Plötzlich geschieht etwas auf dem Bildschirm. Die weniger verknöcherte Hälfte des Publikums springt von den Sitzen auf, und in das ohrenbetäubende Geschrei hinein platzen wilde Flüche. Schläge donnern auf den Tisch. Flaschen werden gegeneinander geschlagen. Sobald der Höhepunkt überschritten ist, rufen die Jüngeren mit unangenehmen Stimmen nach neuen Getränken. Die Grande Dame der Taverne serviert ungerührt erst den Kaffee, den P sich bestellt
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