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Im Namen Des Schweins

Titel: Im Namen Des Schweins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pablo Tusset
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dieser Schräglage auf den Fernseher, der von der Decke hängt. Der Ton ist abgestellt, aber die Bilder erregen seine ganze Aufmerksamkeit. Das sind doch die Zwillingstürme des World Trade Centers in Manhattan. Er geht ein paar Schritte dichter heran, um besser sehen zu können: Aus den Türmen raucht es unentwegt im Vordergrund. Kein Zweifel. Das doppelte Prisma der Türme qualmt ohne Ende. Darunter steht absurderweise: LIVE AUS NEW YORK. Wegen der schlechten Bildqualität fast unleserlich. P sucht auf der Theke nach einer überregionalen Zeitung und überfliegt die Überschriften. Nichts über New York. Trotzdem sind da diese Türme auf dem Bildschirm. Ein Brand in beiden?
    Aus dem Lager lugt das Rotkäppchen hervor und sagt »Hallo« zu ihm.
    »Hallo … Sag mal, was zeigen die denn da im Fernsehen? Ist da irgendwas los in New York?«
    »Ja, zwei Flugzeuge sind direkt in die Wolkenkratzer hineingeflogen. Das zeigen sie jetzt schon eine ganze Weile. Die Leute haben sich zum Teil aus den Fenstern gestürzt, um nicht bei lebendigem Leib zu verbrennen.«
    »Zwei Flugzeuge? Zwei?«, Geste mit zwei Fingern.
    »Zwei. Und noch eins ist in das Pentagon gestürzt. Und sie befürchten, dass noch vier, fünf weitere abstürzen werden. Irgendwie scheint da Krieg ausgebrochen zu sein. Was magst Du haben?«
    P stammelt etwas vor sich hin. Einen Augenblick lang weiß er gar nicht mehr, warum er hergekommen ist. Die Sintflut ist da, die Katastrophe, der Angriff aus dem All.
    Auf der Treppe sind Schritte zu hören. Sowohl P wie auch Rotkäppchen drehen sich zu dem Geräusch um.
    Die Glastür geht auf und Rito kommt in seinen eng anliegenden Kunstlederhosen herein. Die Haare sind pechschwarz und inszenieren über der Stirn ein enormes Seebeben. Die Bewegungen seiner Füße beim Laufen sind maßlos übertrieben. Er kommt an die Theke und schaut P an: »Hui, der Neue« und murmelt etwas vor sich hin. Danach lächelt er, wobei eine Zahnlücke zum Vorschein kommt und sagt dann: »Hallo, Fremder.«
    P grüßt zurück. Rito geht hinter die Theke, gibt dem Rotkäppchen zwei Küsschen und sagt zu ihr: »Hast Du schon gesehen, was diese armen Schweine gemacht haben? Ich schwöre Dir, dass ich kein Auge zubekommen habe, an Siesta war gar nicht zu denken.« Dann schaut er wieder zu P, bleibt reglos mit einer Hand auf der Brust stehen, blinzelt und sagt: »Was darf ich Dir bringen, Fremder?«
    P antwortet, dass er nur Wechselgeld holen wollte für Zigaretten.
    »Dann wechsele ich Dir schnell Deinen Schein, keine Frage.« Er nimmt den Fünf-Euro-Schein, öffnet die Kasse, cling , sucht Münzen, seufzt und schaut zu Rotkäppchen, »Eieiei, ich habe eine Schwäche für schöne Männer …« Rotkäppchen lächelt und wechselt einen Blick mit P: sie scheint ihm zu verstehen geben zu wollen, dass er sich nicht unwohl fühlen soll, dass dies kein böse gemeinter Scherz ist. Rito legt wieder eine Hand auf seine Brust: »Olala, da bekomme ich ja richtig Hitzewallungen.«
    »Komm, jetzt hör auf, Rito, Du bist ja heute Nachmittag völlig aus dem Häuschen«, sagt Rotkäppchen und setzt sich in Bewegung.
    P erwidert die Schäkerei mit dem schönsten Lächeln, das ihm gelingen will: »Danke … Rito«, sagt er als er das Wechselgeld aus seiner Hand erhält.
    »Es war mir ein Vergnügen, Fremder«, bekommt er auf spielerische Weise zur Antwort.
    P verlässt verwirrt die Genossenschaft. Das Pub müsste schon offen sein, aber dort gibt es keinen Fernseher. Im Hostal ist er sicher aus, und im Café unter den Arkaden hat Susi sicher die Telenovela im staatlichen Fernsehen eingestellt. P besitzt weder einen Radioapparat noch Telefon oder Internetzugang. Als er an der Kirche vorbeikommt, bleibt er einen Moment neben der Telefonzelle stehen. Wenn sie funktionieren würde, wäre er in der Lage, sich an die Nummer im Institut in Manhattan zu erinnern. Die Zeit wäre gut, elf Uhr vormittags an der Ostküste. Unter der Voraussetzung, dass die Leitungen nicht zusammengebrochen sind.
    ***
    Nacht. Das Café unter den Arkaden. Beethoven trinkt Kognak mit Soda. P kommt herein.
    » Hombre! Wie schön. Mein Freund Pedro, Peter der Große. Gerade wollte ich einen Whisky auf Ihr Wohl bestellen. Es muss doch gefeiert werden, dass Sie es schon eine Woche bei uns in Horlá ausgehalten haben. Länger als die meisten vor Ihnen. Gerade habe ich mit Heidi darüber geredet. Sie kennen Heidi vermutlich, nicht wahr? Die große Blondine mit den blauen Augen?«
    »Wenn mich nicht alles

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