Im Namen Des Schweins
betritt Nexus 6 aus der Kampfeinheit das Lokal, den P am Morgen bereits auf seinem Traktor gesehen hat. Das Maradona-Trikot hat er gegen ein schwarzes T-Shirt mit Iron-Maiden-Aufdruck eingetauscht. Sein Irokesen-Kamm steht wie ’ne Eins und glänzt vom Haargel. Er ist sogar noch größer, als er auf dem Traktor aussah, hat breite Schultern und lange, sehnige Gliedmaßen. Er baut sich mit erhobener linker Faust mitten im Lokal auf und jault mit durchdringender Stimme. Mehrere von denen mit den gefärbten Haaren erwidern den Gruß auf dieselbe Weise. Auch sie heben die Faust und stimmen ein wildes Geheul an. Danach trabt Nexus an die Theke, mustert einen Augenblick P und dessen Bier, und wendet sich dann mit besonders starkem lokalen Akzent an die Kellnerin: »Na los, du Fotze, schenk mir was ein, ich hab Durst.«
Sie deutet ein Lächeln an.
»Was für eine unerwartete Freude! Wie wäre es mit einem Portwein für den Herrn?«
»Bist Du behämmert. Gib mir was für Männer, Scheiße noch mal …«
P begutachtet seinen Unterarm, vor allem die Tätowierung. Sollte das eine Stechapfelblüte sein?
In der Welt
Rodero lässt nicht locker und Berganza schaut noch einmal seine handschriftlichen Aufzeichnungen durch.
»Ebenso redselig ist ein gewisser Blas Montero Salas, den sie alle Beethoven nennen. Von ihm war schon die Rede: die Geschichte mit Guy de Maupassant war von ihm … Er ist ein richtiges Unikum. Sieht aus wie Einstein mit langen Haaren und Schnurrbart. Ein pensionierter Banker, seit 90 von seiner Frau getrennt, hat einen Sohn, den er seit Jahren nicht gesehen hat … Er ist auf seine Weise mindestens ebenso exzentrisch wie die anderen, die es dorthin verschlagen hat, aber deutlich gebildeter. Zum Whisky unterhält er eine besonders liebevolle Beziehung. Außerdem kaut er einem das Ohr ab. Wir haben am Schluss nur noch versucht, ihm aus dem Weg zu gehen, weil er uns ständig mit irgendwelchem Scheiß stundenlang aufhalten wollte. Wenn man genug Zeit mitbringt, könnte der aber unterhaltsam sein.«
»Den habe ich auch kennengelernt«, sagt der Kommissar, der seit einiger Zeit alles etwas interessierter zu verfolgen scheint. »Wir haben zusammen einen Kaffee getrunken, in einem der Lokale dort. Er vertrat eine außergewöhnliche Theorie, was es mit den Guten und den Bösen auf sich hat …«
»Stimmt«, sagt Berganza. »Die hat er uns auch unterbreitet. Er ist der festen Überzeugung, dass die Menschheit sich in drei Gruppen aufteilen lässt. Zu der einen gehören neunzig Prozent und zu den anderen jeweils fünf Prozent: die Guten, die Bösen und die Normalos …«
In der Hölle
Es ist fast Mitternacht, als sich P auf den Weg ins Hostal macht. Das Café unter den Arkaden ist immer noch geöffnet. Er geht hinein, um einen letzten Absacker zu trinken. Drinnen: an den Tischen Jugendliche mit gefärbten Haaren, hinter der Theke die Dame des Hauses beim Spülen der Gläser sowie Einstein mit gelblichem Schnurrbart und seinem Herrentäschchen am Handgelenk. P grüßt ihn. Einstein grüßt ihn mit lauter Stimme zurück: »Hallo, junger Mann«. Weder Dialekt noch ausweichender Blick: »Susi, bringst Du mir bitte noch einen Kognak mit Sodawasser, bist Du so lieb?«
P nutzt die Gunst der Stunde, um bei der Dame des Hauses, die schwerfällig angeschlurft kommt, ein Bier zu bestellen. Sie lächelt ihn zur Begrüßung an. »So, so, da haben wir also ein Greenhorn im Ort«, sagt Einstein. »Haben Sie vor, längere Zeit hier zu bleiben?«
»Das weiß ich noch nicht so genau … Ich bin auf der Suche nach Arbeit. Wenn ich welche finden sollte, würde ich ein Weilchen bleiben.«
»Na, Sie sind mir ja lustig. Ausgerechnet hier. An jedem anderen Ort der Welt dürfte es leichter sein, Arbeit zu finden, oder etwa nicht? Sie werden doch nicht etwa an einer schweren Oligophrenie leiden?«
P kramt in seinen Taschen, um zu bezahlen.
»Ich würde eher von mir behaupten, dass ich an einer starken Vorliebe für diese klare Bergluft leide. Darf ich Sie auf ein Gläschen einladen?«
»Sehr liebenswürdig. Aber warten Sie. Lieber wäre mir noch, wenn Sie mich auf das nächste einladen könnten, falls Ihnen das nichts ausmacht. Kognak mit Soda darf ich bei der Susi anschreiben, aber so richtig Lust hätte ich auf einen Whisky, und den muss ich immer sofort bezahlen. Daraus können Sie sofort ersehen, in welch schmerzlichen finanziellen Verhältnissen ich mich in meinem Alter befinde …«
»Wir haben alle mal harte
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