Im Namen Des Schweins
täuscht, habe ich sie vor kurzem getroffen, als sie die Glastüren putzte. Ehrlich gesagt, war sie nicht gerade nett zu mir.«
»Dann war es Heidi, keine Frage. Dabei ist dieser Mangel an Liebenswürdigkeit noch nicht einmal ihr größter Fehler. Eigentlich ist sie Norwegerin, aber da Schweden alphabetisch an die Schweiz grenzt und geografisch wiederum an Norwegen, hat der Volksmund beschlossen, dass sich der Name einer bekannten Schweizerin ruhigen Gewissens auf eine Schwedin übertragen lässt, die in Wirklichkeit Norwegerin ist. Nun ja, die Sache ist nun die, dass unsere Heidi hier eines Tages auftauchte, so wie Sie, mit dem kleinen Unterschied, dass sie nur Englisch und Norwegisch sprach. Das ist jetzt etwa fünfundzwanzig Jahre her.
Sie gilt als die Zugereiste, die schon am längsten hier ist. Vor Ihnen kam die Barschickse, wenn mich nicht alles täuscht. Die kam letztes Jahr, glaube ich.«
»Die habe ich auch schon kennengelernt. Sieht nicht so aus, als wäre sie besonders gern hier im Dorf …«
»Ach, mit der ist es ein bisschen so wie mit Madame Bovary, die gleichzeitig sterben wollte und nach Paris, um zu leben … Die schwankt zwischen dem einen und dem anderen, je nachdem wie gut sie an ihr Kokain herankommt. Aber von ihr reden wir ein andermal.
Heute würde ich lieber mit Ihnen darüber reden, dass unsere norwegische Heidi die interessante Theorie vertritt, dass Sie von der Polizei sind und wegen der Geschichte im Schlachthof ermitteln. Das würde zu Ihrer unerklärlichen Vorliebe passen, dort zu arbeiten; während ich dagegen eine andere These vertrete, was Sie betrifft. Darüber können wir in den nächsten Tagen ja mal sprechen.«
»Und was für Geschichten gehen in diesem Schlachthof so vor sich, dass ein Geheimagent hier mal vorbeischauen sollte?«
»Ach so einiges, aber eine Geschichte im Besonderen. Die stand in allen Zeitungen, wenn auch nicht mit allen Details. Kurz gesagt: Eines Morgens fanden sie eine Frau, die geschlachtet worden war wie ein Schwein. So vor etwa sechs Monaten. Stellen Sie sich mal vor … Die schickten sogar ein hohes Tier aus der Hauptstadt hier vorbei, so einen Hauptkommissar, der einen mit seinen Blicken durchbohrte. Genau hier an dieser Stelle saß ich mit ihm und trank einen Kaffee und hatte die Gelegenheit, mit ihm zu plaudern. Tagelang liefen hier außerdem zwei von der Mordkommission herum und stellten allen Fragen … Berganza hieß der eine, der noch seinen Assistenten dabeihatte … Aber hier würde nie jemand etwas erzählen, was nicht längst publik ist.
Nicht einmal ich, Sie müssen wissen, dass Sie alles, was ich Ihnen erzähle auch auf tausend anderen Wegen erfahren können … Sogar solche Geschichten wie die Kokainsucht von Madame Bovary. Sie werden sehen, es wird nicht lange dauern, und sie wird das erste Mal fragen, ob Sie ihr nicht ein paar Gramm spendieren können. Na ja … Falls die Heidi Recht hat, würden Sie es mir natürlich sowieso nicht sagen. Aber ich habe von der Polizei nichts zu befürchten, ich bin ein alter pensionierter Gelegenheitstrinker und damit hat sich’s …
Wussten Sie, dass es in Horlá bisher weder eine Polizeistation noch die Guardia Civil gab, ganz zu schweigen von einer Militärkaserne? Manchmal kommt ein Streifenwagen aus dem Tal hoch, aber ich nehme mal an, dass die sich nur vergewissern wollen, dass wir uns noch nicht gegenseitig aufgefressen haben. Die fahren die Hauptstraße entlang, fahren einmal um die Kirche herum und verschwinden wieder. Und im Winter, mit dem Schnee und Eis auf den Straßen, vergehen manchmal Monate, ohne dass etwas von ihnen zu sehen ist.
Das geht sogar so weit, dass die nicht einmal ins Dorf kommen, wenn sich jemand vom Horlá gestürzt hat.
Die sammeln lieber tausend Meter tiefer im Buchenwald die Reste auf und das war’s.« Schluck Kognak.
»Gibt es denn viele, die sich vom Horlá stürzen?«
»Seit ich hier bin, waren es sieben, ob das viele sind, wissen Sie vielleicht besser als ich. Die Letzte war eine Nachbarin von mir. Sie arbeitete vor Madame Bovary im Pub, ein überaus angenehmes Mädel … Manche kamen schon von weit her, um sich gerade hier umzubringen. Offensichtlich reicht es den Leuten nicht mehr, einen Schlauch in den Auspuff zu hängen, sie wollen etwas Dramatischeres, eine letzte ergreifende Minute. Ich dagegen würde mich für den Schlauch im Auspuff entscheiden, wenn ich mich umbringen müsste. Abgesehen davon, dass dies eine sanfte Methode wäre, könnte es auch
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