Im Namen Des Schweins
ganz lustig sein, wenn man sich dafür einen Bentley mit eingebauter Bar mietet; den müsste man ja dann nachher nicht einmal bezahlen … Aber wer sich das Leben nicht schön machen kann, der achtet wahrscheinlich auch beim Tod nicht darauf. Vermutlich wäre der Suizid eines Bonvivant ein Widerspruch in sich, meinen Sie nicht auch? Aber selbst die Selbstmörder machen einen Bogen um unser Dorf: Sie fahren die Straße hoch, umrunden den Horlá und springen. Manchmal mit Auto und allem Drum und Dran, das ist dann unten reif für den Schrotthaufen. Wir leben hier wie auf einer kleinen, vergessenen Insel, das wollte ich eigentlich nur sagen. Mitten in einem Teich … oder besser gesagt einem Tümpel. Sich hier die Nachrichten anzusehen ist wie Science-Fiction gucken, das werden Sie noch merken, falls Sie lange genug bleiben. Sie haben ja sicher mitbekommen, was die aus der Geschichte in New York gemacht haben …
Boing, der Idiot, hat anderntags gesagt, dass im Tal auch schon mal ein Hotel gebrannt hat, ohne dass es so häufig im Fernsehen kam. Und Boing ist noch einer von denen, der studiert …« Er nimmt einen Schluck Kognak.
»Na ja, New York ist weit weg …«
»Ja, klar, aber wenn man es genau nimmt, kommt die Geschichte hier nie richtig an. Wenn etwas ankommt, dann immer mit Verspätung. Das sieht man sogar bei den Zugereisten, die lustigerweise immer genau auf dem Stand stehenbleiben, auf dem sie waren, als sie herkamen. Obwohl es auch hier eine Ausnahme gibt:
Die Susi, ich weiß auch nicht, wie sie das fertigbringt, die wirkt wie eine Frau auf der Höhe ihrer Zeit … Die Heidi dagegen könnten sie in den Siebzigern an irgendeinem Ort schockgefroren haben. Sobald die besoffen ist, fängt sie an von Marcuse zu reden, von Universitätszeitschriften, von LSD und einer Reise, die sie mit ihrem ersten Freund nach Kalifornien machte. Offenbar einem bildschönen und schwerreichen Norweger, wie sie immer sagt. Außerdem erzählt sie überall herum, dass sie noch nie im Leben ein Kondom benutzt hat und auch im Leben nicht daran denkt, es jemals zu tun. Aids ist ihrer Meinung nach eine Lüge der reaktionären Konsumgesellschaft … Zu Ihnen hat sie auch schon einiges gesagt, was ich Ihnen gerne berichten kann, wenn es Sie interessiert. Sie meinte, sie würde Sie nicht von der Bettkante stoßen. Sie sind wirklich gut aussehend. Wenn ich so gut aussehen würde wie Sie, stände ich auch ganz anders da. Obwohl ich ehrlich gesagt nicht weiß, ob ich Ihnen ein Schäferstündchen mit der Heidi wirklich empfehlen würde.«
Schluck Kognak.
»Warum nicht? Sie ist nicht mein Typ, aber man weiß ja nie …«
»Ach wissen Sie, Sankt Martin hat sie mal mit nach Hause genommen und der redet immer noch davon, dass ihm seitdem der Schwanz weh tut. Das erzählt er wortwörtlich so. Da muss auch was dran sein, weil er dabei immer eine Hand auf den Hosenschlitz legt und ein angewidertes Gesicht zieht. Sankt Martin ist Schlachter im Schlachthof, so dass Sie sich vorstellen können, woher der Spruch kommt: ›Jedem Schwein …‹«
»Kenne ich ihn?«
»Bestimmt, er isst meist mit dem Metzger und dem Priesterchen in der Genossenschaft zu Mittag. Es ist der mit der Narbe, die übers ganze Auge läuft. Der hat überhaupt seltsame Augen. Eins sieht aus, als ob es tot wäre. Aber es ist nicht immer dasselbe. Er behauptet, dass er mit dem einen bei Tag sehen könne und mit dem anderen bei Nacht. Ich würde mich nicht wundern, wenn das stimmen würde. Aber der Typ ist nicht verkehrt. Sein Gesicht sieht zwar aus wie die Landkarte von Schottland und er hat das Benehmen von einem Leichendieb, aber wenn er seinen Lohn bekommt, lädt er mich von Zeit zu Zeit auf einen Whisky ein … Der ist natürlich auch nicht von hier. Er kam vor sechs oder sieben Jahren, und ich könnte schwören, dass er aus dem Knast kam. Wegen der Sachen, die er auf die Hand tätowiert hat … Ich hab ihn einmal gefragt und da hat er gesagt, ich solle ihn besser nicht fragen … Sicher dagegen scheint mir, dass er sich im Kingdom, das ist hier das bevorzugte Bordell, in ein Mädchen verknallt hat.
Der fährt alle zwei, drei Monate die dreißig, vierzig Kilometer Richtung Santa María de Argos mit dem Robocop, weil er keinen Führerschein hat … Wissen Sie, wer der Robocop ist? Einer der immer hier draußen sitzt, mit kurzen Hosen und Militärstiefeln.«
»Ja … Das war der erste Mensch, dem ich hier begegnet bin, als ich am Abend aus dem Bus gestiegen bin. Alle
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