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Im Namen Des Schweins

Titel: Im Namen Des Schweins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pablo Tusset
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Klang der Worte?«
    »Gewiss … Auf die Metrik beispielsweise und all die damit zusammenhängenden ästhetischen Erwägungen, nicht wahr? … Das spanische Wort für Schwein … ›Cerdo‹ … hat zwei Silben … Die erste ist betont, die zweite natürlich unbetont … Wie bei ›Vater‹ oder ›Padre‹. Und zu sagen ›Im Namen der Laus‹ hätte natürlich nicht denselben Reiz für den … wie gesagt … in diesem Fall für den Dichter, nicht wahr? Dagegen klingt ›Im Namen des Schweins‹ … gut. Das hat … einen guten Sound, nicht wahr? Das könnte sogar der Titel von … von einem … Manifest oder einer … Doktrin sein.«
    »Verstehe …«, der Kommissar macht eine Pause, um das Thema zu wechseln. »Sie würden also nahelegen, dass hier irgendeine Art von Geisteskrankheit eine Rolle spielt?«
    »Mmm … ich würde eher dazu neigen, zu vermuten … Ein … Psychopath … vermutlich. Es wäre natürlich möglich …«
    »Ein Psychopath ist doch geisteskrank, oder nicht?«
    »Nicht unbedingt … Fehlen von Empathie … nicht wahr … trifft es womöglich am besten … Oder Soziopathen, nicht wahr? Wie … wie natürlich unsere … amerikanischen Kollegen denken. Ich kann Ihnen … Ich empfehle Ihnen ein Buch … Natürlich ein populärwissenschaftliches, nicht wahr? … Sie werden es überall finden … Da bekommen Sie einen Überblick … ja … einen Eindruck.«
    »Wären Sie so nett und würden mir den Titel aufschreiben?«
    ***
    Trotz Verkehrschaos genießt der Kommissar im Bus die Rückfahrt nach Hause. Erst bleibt der dunkle historische Kern zurück, dann das urbane Schachbrettmuster aus dem neunzehnten Jahrhundert mit seinen neoklassizistischen Gebäuden, bis er schließlich in sein sauberes und ruhiges Wohnviertel gelangt, das sich in den letzten Jahren zu einer beliebten Wohngegend gemausert hat. Kurz vor der Haltestelle sieht er durch das Fenster eines von diesen Schildern ZU VERKAUFEN, das an einem Balkon hängt. Ein Penthouse auf einem Eckhaus aus Stein. Er überschlägt im Geist den geschätzten Kaufpreis. Dann stellt er sich die Frage, wo selbst der hochrangigste Polizeikommissar der Stadt noch leben könnte, wenn er sich aktuell einen Wohnsitz zulegen müsste. Vermutlich nur außerhalb der Stadt.
    Er steigt mit der riesigen Plastiktüte, die er bei sich hat, aus dem Bus und läuft quer durch den Park. Hier sind städtische Wohnmobile, in denen Spritzen verschenkt werden, undenkbar. Es ist nicht alles voll mit Taubenscheiße, und an den Hauswänden sieht man keine Urinspuren. Der Duft von echtem Oleander liegt in der Luft und die Grünflächen leuchten im Sonnenschein. An den Schaukeln sieht man gepflegte, schön gekleidete Kinder herumtollen. Manche sind vom Spielen etwas dreckig geworden, aber sie sehen alle aus wie Kinder aus gutem Hause, deren Mütter, Großmütter oder dunkelhäutige Kindermädchen auf den Bänken sitzen, miteinander plauschen und auf sie aufpassen. Der Kommissar weiß, dass keines von ihnen jemals ein Kommissariat betreten wird. Höchstens, um einen Einbruch in der Ferienwohnung zu melden. Eines Tages werden sie sicher ansehnliche Erwachsene sein.
    Das Gebäude, in dem der Kommissar wohnt, ist aus rotem Stein und eines der älteren in der Straße. Es ist eines der wenigen staatlich geförderten Viviendas de Protección Oficial, die zu seiner Zeit in der Gegend errichtet wurden. Ein moderner Fahrstuhl fährt nach oben, der im Zuge der Restaurierung des Hauses eingebaut wurde. Er steigt im fünften Stock aus und schließt seine Tür, die Nummer 2, auf. Dunkelgrüne Morrison-Tapete, niedrige Möbel mit Zierleisten, zwei goldgerahmte Seestücke und eine Garderobe aus Holz.
    Es riecht nach Kartoffeltortillas.
    »Hallihallo«, ruft die tiefe, singende Stimme des Kommissars.
    Eine weibliche Stimme antwortet aus einiger Entfernung: »Bist Du schon da? Du bist heute früh dran, nicht?«
    »Ich habe Dich so vermisst, da bin ich früher gegangen …«
    »Und ich bin heute spät dran, meine Schwester war da, und wir waren bis um sieben im Corte Inglés, im Kaufhaus. Da liegt die Geschenkliste, weißt Du, wegen der Hochzeit von Maria Teresa …«
    »Welche Schwester …?«
    »Maria Luisa.«
    Der Kommissar lässt die Tüte hinter der Tür stehen und geht in die Küche. Seine Frau steht mit dem Rücken zu ihm vor dem Herd: Einsfünfundsechzig, gedrungener Körperbau, braun gefärbte Haare, zu einem tiefsitzenden Haarknoten zusammengebunden. Schürze, Hausschuhe mit einem Pompon. Ihr

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