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Im Namen Des Schweins

Titel: Im Namen Des Schweins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pablo Tusset
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Ansteckungskrankheiten damit zu bekämpfen, Kondome und sterile Spritzen herauszugeben: als würde man gegen die Wilderei damit vorgehen, Jagdgewehre ohne Kugeln auszugeben. Das ist ein Teil dieser eigenwilligen Logik unserer neuen Zeit, denkt er: nachgiebig, weich und mit schwacher Staatsräson …
    Er betritt das Gebäude des Kommissariats, als würde er sich auf eine Insel der Reinheit und Disziplin retten. Zumindest das gefällt ihm am neuen Gebäude: Es ist sauber und ordentlich. Ein postmoderner Minimalist hat den international style neu interpretiert. Früher strahlte die Zentrale noch so etwas von einer uneinnehmbaren Festung aus, mit Schießscharten, während sie jetzt zerbrechlich und indiskret daherkommt wie ein Panorama-Aquarium. Der Kommissar geht durch Glastüren, erwidert andeutungsweise Begrüßungen und hält die Tüte mit seiner CD so in der Hand, dass man den Namen des Geschäfts nicht erkennen kann. Im Aufzug geht es in den zweiten Stock. Dann begrüßt er mit lebhafter Stimme Varela, der in seinem Vorzimmer sitzt. Hier oben riecht alles noch neu. Das Holz der Türen und die Lederpolster. Seine Schritte hallen auf dem weißen Marmorboden. Er geht in den Konferenzraum neben seinem Büro, um ein Glas Wasser zu trinken. Der Raum ist ausgestattet mit einer elektrischen Kaffeemaschine, einem kleinen Kühlschrank und einem Wasserspender, bei dem man einstellen kann, ob das Wasser eiskalt oder in Zimmertemperatur herauskommen soll. Auch einen eigenen Stellplatz hat er jetzt auf der unterirdischen Parkfläche und eine unabhängig vom übrigen Gebäude regulierbare Klimaanlage, ein eigenes Bad mit flauschigen Handtüchern, zwei Sessel und ein blaues Samtsofa, auf dem er sich hinlegt, wenn er vom Essen aus der Cafeteria im ersten Stock kommt. Allein die Fahne, das Wappen der Polizei (»Aufopferung, Technik, Zuverlässigkeit«) und das Foto des Staatsoberhauptes erinnert daran, dass er noch immer das Leben eines halbwegs gut bezahlten Beamten führt. Eigentlich sind die Räume zu großzügig geschnitten. Niemand ist mehr in Hörweite, ständig muss man die Sprechanlage benutzen … Aber vor allem fällt es ihm schwer, sich mit der riesigen Glasfront anzufreunden, die er im Rücken hat, wenn er an seinem Schreibtisch sitzt. Man hat nur den Ausblick auf dreckige Hauswände, traurige Wäscheleinen, winzige Fensterchen, hinter denen sich illegale Immigranten stapeln. »Die Zeiten ändern sich, mein Herr«, sagt er laut zu sich und schaut sich die CD an, die er aus der Tüte holt. Er steckt sie in eine Schublade. Dabei bemerkt er, dass Varela ihm in der Zwischenzeit ein mehrseitiges Fax auf den Schreibtisch gelegt hat. Er nimmt es in die Hand und liest die Titelseite:
     
    FAXMITTEILUNG
    Von: Insp. Antonio Berganza, Regionale Mordkommission
    An: Hauptkommissar Pujol, Morddezernat Betreff: Bericht »Uni-Pork«
    Seitenzahl: 23
    ***
    Der Kommissar nutzt die Mittagspause, um zu den Kriminalwissenschaften hinüberzugehen. Hier prägt noch die graue, gedrungene Architektur, die früher charakteristisch war für den gesamten Komplex der Zentrale, das unrenovierte Gebäude. Am Eingang begrüßt ihn der diensthabende Beamte. Der Kommissar hebt leicht die Hand zum Gruß und geht in die Abteilung der Kriminologie. Der einzige Psychiater, der in diesem Augenblick Dienst hat, ist Puértolas. Er hat keine Wahl. Der Kommissar wird wohl oder übel ihn konsultieren und sich in Geduld üben müssen.
    »Gut, ehem, ›Im Namen des Schweins‹ … Ja, mmm … Das scheint … eine Anspielung zu sein auf die Formel …, mit der man sich bekreuzigt, nicht wahr? Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, nicht? Etcetera.«
    Der Kommissar nickt nachdenklich.
    »Das Schwein wiederum scheint in diesem Fall … dem Vater geradewegs entgegengesetzt, nicht wahr? Das heißt: der Antigott … So dass das Schwein in diesem Fall natürlich gut für den Teufel stehen könnte … Mmmm, wohl aber nicht irgendeinen Teufel, sondern den Satan höchstpersönlich, nicht wahr? Das kurze Schreiben ist in Großbuchstaben verfasst … Bedauerlich … Es wäre … Es wäre interessant gewesen … dies an der Groß- und Kleinschreibung genauer zu belegen, nicht wahr? Dann wäre das Schwein nämlich auch im Spanischen … großgeschrieben worden. Das hätte uns weitergeholfen … Obgleich in der christlichen Tradition … ein anderes Tier … den Satan symbolisiert … der Ziegenbock, nicht wahr? Etcetera … Aber auch die Schlange, nicht wahr?

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