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Im Namen Des Schweins

Titel: Im Namen Des Schweins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pablo Tusset
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Schildern umher: HOUSE, HIP-HOP, INDIE … Klingt alles fremd in seinen Ohren. Er versucht, die Verkäufer auf sich aufmerksam zu machen, indem er sie aus höflicher Distanz nachdrücklich anschaut. Keine Reaktion. Er geht zu ihnen hin und bleibt wenige Meter vor ihnen stehen. Die Hände hat er auf dem Rücken verschränkt. Die zwei Jungs schauen kurz auf, lassen sich aber nicht in ihrer Unterhaltung stören:
    »Und wie alt?«
    »Neunzehn.«
    »Boah, so jung …«
    »Aber er sieht extrem gut aus, und ist cool für drei, der ist übelst geil.«
    »Schon, aber tierisch jung …«
    Der in der Kontroverse um die Jugend des Helden Besorgtere hat schmale spitze Koteletten und ein fuchsiafarbenes T-Shirt an, unter dem ein Piercing am Bauchnabel gut zu sehen ist. Ein weißer Lackledergürtel schmückt seine Jeans, ohne sie zu halten. Der Kommissar tritt direkt an die Verkaufstheke. Er legt beide Hände übereinander auf den Ladentisch zwischen die zwei Teilnehmer der Diskussionsrunde.
    »Was kann ich für Sie tun, mein Herr?«, sagt ebenjener mit dem freien Bauchnabel.
    »Guten Morgen …«
    »Morgen … Suchen Sie etwas Bestimmtes?«
    »Ja, ich suche … eine Platte.«
    »Was für eine?«
    »Die ist von einem gewissen Manutschau.«
    »Manu Chao … Welche von Manu Chao?«
    »Das weiß ich nicht genau … Megusta la marihuana y me gustas tú … So in etwa geht der Text von dem Lied, das ich suche. Ohne dass ich hinter dem Inhalt stehen würde.«
    Er wird von oben bis unten gemustert. Augenaufschlag: »Das hätte mich jetzt auch gewundert … Estación Esperanza heißt das Album. Aber das ist schon ziemlich alt. Es kam vor ein paar Jahren heraus …«
    »Das hätte ich aber gern.«
    Der Kommissar läuft hinter dem Jungen durch die labyrinthischen Gänge zwischen den Regalen, bis sie im Bereich SPANISCHER POP stehen. Der Junge schaut unter M nach und holt eine gelbe CD heraus. Sie sieht aus wie eine Plattenhülle für Kinder, denkt der Kommissar. Vorne drauf ist eine Art Clown mit Gitarre.
    »Aber Sie sind sich sicher, dass genau dieses Lied da drauf ist?«
    »Man mag uns ja gerne nachsagen, dass wir nicht immer die Aufmerksamsten sind, was die Kunden betrifft, aber von Musik verstehen wir was …«
    »Das will ich hoffen. Gibt es das Album auch als Kassette?«
    »Ach, du liebe Zeit: So etwas gibt es ja schon ewig nicht mehr …«
    »Ach nein? Ich habe noch vor einer Woche Kassetten gesehen, die man kaufen konnte …«
    »War das möglicherweise in einer Tankstelle auf dem Land …? Hier bei uns gibt es ausschließlich CDs und DVDs: Das hier ist ein Fachgeschäft.«
    »Ja … Und was macht man, wenn jemand kein Abspielgerät hat für die … Ceedees?«
    »Das kann ich Ihnen auch nicht sagen … Sie könnten sich natürlich ein paar Paso-doble-Partituren kaufen und die auf dem Klavier spielen. Die Zeiten ändern sich, mein Herr.«
    »Ja, das merke ich: Heutzutage spielt man Paso doble wohl auf dem Klavier … Nun ja, auch wenn Sie nicht gerade der Inbegriff eines freundlichen Verkäufers sind oder unendlich viel von Musik verstehen, nehme ich die CD trotzdem.«
    »Oh, das tut mir aber leid. Komischerweise bin ich richtig freundlich nur zu meinen Liebhabern. Hier beschränke ich mich darauf, CDs zu verkaufen.«
    »Das wiederum verstehe ich sehr gut, junger Mann. Ich bin auch nur zu meiner Frau nett. Aber es wird gar nicht nötig sein, mir ihr ganzes Leben zu erzählen. Fürs Erste bin ich vollkommen zufrieden, wenn Sie mir die Platte einpacken.«
    Er wird wieder von oben bis unten gemustert. Noch ein Augenaufschlag: »Mit dem größten Vergnügen. Ich habe rein gar nichts dagegen einzuwenden, den Verkauf mit Ihnen so schnell wie möglich zu einem guten Ende zu bringen.«
    Als der Kommissar wieder auf der Straße steht, ist er fest davon überzeugt, dass die Menschheit den Verstand verloren hat, ja, kurz davor sein dürfte, zu kollabieren. Er versucht, das Tütchen mit der CD in der Jacketttasche zu verstauen. Es passt nicht. Dann trägt er sie eben in der Hand. Er läuft durch dunkle Gässchen, in denen es nach Pisse riecht und die zugemüllt sind und voller Taubenscheiße. Er schaut wieder einmal auf das städtische Wohnmobil, in dem sie Spritzen und Präservative umsonst verteilen. Soweit er das beurteilen kann, sieht er nie jemanden, der sich dort etwas mitnehmen würde. Schon gar keine Junkies. Die machen um jeden blau-weißen Wagen einen Bogen als wäre er die Pest. Dem Kommissar scheint der Gedanke sowieso absurd zu sein,

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