Lockende Flammen
1. KAPITEL
Das große Doppelbett war mit Seide bezogen. Kühler, eleganter Seide, die ihren schlanken Körper zu liebkosen schien. Obwohl sich der raschelnde Stoff auf ihrer Haut längst nicht so erotisch anfühlte wie seine Berührung und gar nichts war im Vergleich zur glühenden Leidenschaft seines Kusses.
Sein Gesicht lag im Schatten, aber sie kannte seine Gesichtszüge in- und auswendig. Sie sah die dunklen, vor Intensität leuchtenden Augen, das arrogante Profil und den aufregend sinnlichen Mund gestochen scharf vor sich. Lustvolle Erregung durchschoss ihren Körper. Ein kurzer Blick auf den Mann genügte, um die in ihr schlummernde Verführerin zu wecken. Das war ihr noch nie zuvor passiert. Es war fast, als ob sie seine zweite Hälfte wäre, die seine Männlichkeit ergänzte. Sie passten perfekt zusammen, waren wie füreinander geschaffen, und sie wussten es beide. Nur bei ihm konnte sie ganz sie selbst sein und die permanente Wachsamkeit aufgeben, die ihr längst zur zweiten Natur geworden war.
Sie sehnte sich auf tausend, ja hunderttausend verschiedene Arten nach ihm. Das wissende Lächeln, das seine Mundwinkel umspielte, verriet ihr, dass er ihre geheimsten Wünsche kannte. Und dass er wusste, wie sehr sie seine Zärtlichkeiten auskostete.
Leonora schloss seufzend die Augen. Die Fingerspitzen, die eben noch langsam und fast andächtig ihre Brüste gestreichelt hatten, wanderten tiefer, über ihren flachen Bauch und …
Schuldbewusst riss sie sich aus ihrem Tagtraum. Wenn sie jetzt nicht sofort unter die Dusche ging, würde sie noch zu spät kommen!
Wie töricht sie doch war. Zumindest ihre Brüder würden das so sehen. Sie konnte sich nur allzu lebhaft vorstellen, wie sich die beiden johlend auf die Schenkel klopften, wenn sie wüssten, was sie sich da zusammenfantasierte.
Aber das war eben die Krux, wenn man als Mädchen zwischen zwei Brüdern aufwachsen musste. Piers war nur achtzehn Monate älter als sie und Leo ein Jahr jünger. Ihre Mutter war bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen, den ein wild gewordener Autofahrer verursacht hatte, als sie unterwegs gewesen war, um die Kinder von der Schule abzuholen. Das war nicht nur für Leonora und ihre Brüder ein schrecklicher Schicksalsschlag gewesen, sondern ebenso für ihren Vater, einen ehemaligen Hochleistungssportler. Um mehr Zeit für seine Kinder zu haben, hatte er nach dem Tod seiner Frau den Profisport an den Nagel gehängt und sich an der Leitung einer Sportartikelfirma beteiligt, die er irgendwann ganz übernommen hatte. Als Ex-Profisportler war er fest davon überzeugt gewesen, dass es richtig und sinnvoll war, das natürliche Konkurrenzverhalten zwischen Leonora und ihren Brüdern noch zu schüren, weil es in seinen Augen keinen besseren Weg gab, um Kinder auf die Welt der Erwachsenen vorzubereiten.
Nach dem Tod ihrer Mutter hatte Leonora ständig in dem Gefühl gelebt, sich ihrem Vater zuliebe noch mehr anstrengen zu müssen, damit sie so war wie „die Jungs“. Deshalb hatte sie sich auch nie erlaubt zu weinen wie ein Mädchen.
Obwohl ihr Vater alle seine Kinder aufrichtig liebte, hatte er es doch nie wirklich vermocht, seiner Tochter diese Liebe zu zeigen. Aber das machte Leonora ihm nicht zum Vorwurf – im Gegenteil. Im Zweifelsfall hatte sie ihn und ihre Brüder stets leidenschaftlich gegen jede Kritik in Schutz genommen, sodass sie sich alle bis zum heutigen Tag immer noch sehr nahe standen. Nachdem sich ihr Vater vor drei Jahren entschlossen hatte, zum zweiten Mal zu heiraten, war er emotional wieder aufgeblüht. Dieser Umstand hatte Leonora ein weiteres Mal schmerzhaft deutlich vor Augen geführt, wie groß der Verlust war, den sie alle durch den Tod ihrer Mutter erlitten hatten.
Inzwischen sehnte sich Leonora unterschwellig immer öfter danach, die Frau zu sein, die wahrscheinlich aus ihr geworden wäre, wenn sie nicht ohne Mutter hätte aufwachsen müssen. Dann war es nur noch ihr Stolz, der sie an der Rolle des ehrgeizigen Wildfangs festhalten ließ, in die sie ihrem Vater zuliebe geschlüpft war. Es gab Zeiten, da fühlte sie sich so hilflos und verloren, dass sie befürchtete, nie herauszufinden, wer sie wirklich war. Und wenn sie sich dann in einem schwachen Moment ihrer wahren inneren Natur entsprechend verhielt und ihre Brüder sie auslachten, war sie so niedergeschlagen, dass sie sich prompt wieder in die vertrauten Verhaltensmuster flüchtete.
Und manchmal in intime Tagträume … so wie jetzt.
Dass sie
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