Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Im Namen Des Schweins

Titel: Im Namen Des Schweins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pablo Tusset
Vom Netzwerk:
hinter sich her. In einem mit afrikanischem Marmor eingerahmten Schaufenster ist ein Smoking ausgestellt. Statt Knöpfen blitzen dort maßlose Skistiefelschnallen. Ein großes rotes, mit weißem Leder ausgestattetes Cabriolet fährt vorbei. Auf der Rückbank steht eine riesige Kamera, hinter der ein Kameramann die Spur filmt, die sie durch den Verkehr ziehen. Natürlich achtet da niemand auf Ts Kappe.
    Er hat sie selbst ganz vergessen, bis er zu dem Gebäude in der 42. kommt. Ohne dass der Pförtner ihn sehen kann, begutachtet er sich eingehend im Spiegel der Eingangshalle. Mit einem Mal hat er das ungute Gefühl, die Mütze stehe ihm doch nicht so gut, wie er dachte. Vielleicht sieht sie noch zu neu aus. Er zieht sie aus, richtet mit den Fingern seine Frisur, geht dichter an den Spiegel heran und entdeckt, dass die Kappe einen roten Striemen auf der Stirn hinterlassen hat … Als er oben angekommen an der Tür zum Institut klingelt, ist ihm sein Selbstvertrauen gänzlich abhanden gekommen.
    »Guten Tag. Ich müsste nochmal zu Suzanne. Gestern hatte ich meinen Reisepass vergessen …«
    »Okay, kommen Sie herein«, sagt Diane Keaton
    ***
    Suzanne konzentriert sich auf ein Telefongespräch. Sie schaut nicht einmal auf, um zu sehen, wer gekommen ist. Ihre Frisur sieht ziemlich genauso aus wie gestern, nur die Haare sind hinten mit einer Schleife hochgesteckt. Diesmal trägt sie allerdings einen Audrey-Hepburn-Rolli. Das lässt den Brüsten unter der feinen Wolle eine gewisse Bewegungsfreiheit. Sie sind nicht sehr groß und dürften, überflüssigerweise möchte man sagen, in einem Büstenhalter stecken. T stellt sich an ihren Tisch. Sie wirft ihm einen kurzen Blick zu, während sie am Telefon lauscht. Sie erkennt ihn nicht sofort, aber man merkt, dass sie ihn mit Interesse wahrgenommen hat, weil sie ein zweites Mal aufschaut.
    T glaubt, bemerkt zu haben, dass sich ihr zweiter Blick vor allem auf die Mütze richtete. Ist das ein gutes Zeichen oder ein schlechtes? Auf den dritten Blick erkennt sie ihn wieder: Sie lächelt auf wunderschöne Weise und lädt ihn mit einer Handbewegung dazu ein, sich zu setzen. Sie macht ein »Was für eine Nervensäge am Apparat«-Gesicht: niedergeschlagene Augenlider, hängende Kinnlade, als würde sie gleich einschlafen. Wohin jetzt mit der Kappe? Er sitzt einer Frau gegenüber, aber wenn er sie nun abnimmt, wäre das vielleicht antiquiert? Oder zu albern? In den Städten nimmt ja nie jemand seinen Hut ab, wenn er irgendwo hineingeht … Klar, die meisten haben Baseballkappen auf und die werden andersherum getragen. Das lädt natürlich nicht dazu ein, sich wie ein Gentleman der feineren Art zu verhalten. Eher schon unanständig zu rappen. Aber was bitte, wenn die Kopfbedeckung die eines irischen Immigranten aus dem neunzehnten Jahrhundert ist? Da wäre es vielleicht schon angebracht, sie abzunehmen, zusammenzufalten und in die Jacketttasche zu stecken. Sofern sie hineinpasst. Unter keinen Umständen darf er sie in der Hand halten wie ein Bauernjunge vor einer Gräfin, das würde weder zu seinem Hugo-Boss-Hemd passen noch zu seinem hundert Dollar teuren Boucheron, geschweige denn zu der schwindelerregenden Skyline, die man durch das Fenster sieht. Sicher weiß er nur, dass es ein Fehler war, die verfluchte, edle Kappe aufzusetzen: Sie ist heiß, riecht nach Leder und hinterlässt einen roten Streifen auf der Stirn. Dazu kommt die Unsicherheit, was er mit dem Ding anstellen soll, jetzt, vor einem Mädchen, das angezogen ist wie Audrey Hepburn.
    »Meine Güte, was ist denn heute mit den Leuten los. War gestern Vollmond …?«, fragt das Mädchen, das angezogen ist wie Audrey Hepburn, als es ihr endlich gelingt, aufzulegen.
    »Weiß ich auch nicht: Von meinem Hotelzimmer aus sieht man nur Schuhe … Ich hab den Reisepass dabei. Erinnerst Du Dich …?«
    »Ja, wegen des Stipendiums. Entschuldigen Sie, ich habe Sie nicht gleich erkannt, als Sie hereinkamen … Sie haben sich den Bart abrasiert?«
    T spürt, wie sich seine Nervosität legt. Er fühlt sich wie ein Schauspieler, für den endlich der Vorhang aufgegangen ist und dem jetzt nichts anderes übrigbleibt, als zu spielen. Und er ist ein guter Schauspieler: »Hey, siez mich doch nicht immer … Oder sehe ich schon so alt aus?«
    Sie legt sich überflüssigerweise eine Strähne hinter das Ohr: »Ooch, da habe ich schon ganz andere Exemplare gesehen …«, und lächelt.
    Ist das Koketterie? Jedenfalls ermuntert ihr Tonfall T dazu, die

Weitere Kostenlose Bücher