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Im Namen Des Schweins

Titel: Im Namen Des Schweins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pablo Tusset
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langsam wieder aus und fährt sich mit der Hand über das Gesicht. Dann schlendert er ziellos davon. Sie hat »ja« gesagt. Sie hat zweimal »ja« gesagt: »Ja, ja«. Das ist eindeutig, stimmt’s?
    Stimmt. Auch wenn jetzt noch eine lange Stunde vor ihm liegt, die mit einem Spaziergang auf der 34. überbrückt werden könnte. Zu weit darf er sich aber auch nicht entfernen. Er sieht ein Hot-dog-Wägelchen und isst eines, ohne großen Appetit. Ihm ist diese Leichtigkeit so neu, mit der man sich überall alles Mögliche zu essen besorgen kann. Wie in einem Schlaraffenland, in dem die Ärmsten am allerdicksten sind. Dann geht er in ein Sportgeschäft und schaut sich bei den Gewichten um. Er vermisst das Fitnesstraining im Morddezernat und hat das Gefühl, ein bisschen steif geworden zu sein. Ein Stückchen weiter geht er wieder in einen Plattenladen: ohne bei Burl Ives oder Joe Jackson, dem Bluesman, fündig zu werden. Als wären sie wie vom Erdboden verschluckt. Die nächsten fünf Minuten schlägt er damit tot, sich in einem Schaufenster die Schuhe anzusehen. Ein Paar sieht aus als wären sie aus einem Zebrafell, ein anderes aus Jaguarfell und einmal sieht das Material aus wie die Haut einer Amazonasunke. Vermutlich einer giftigen, nach dem leuchtenden Grün und den roten Flecken zu urteilen. Dann kommt er an einer Parfümerie in den Ausmaßen eines Tenniscourts vorbei und probiert die Essenzen auf kleinen Papierstreifen durch, bis sein Geruchssinn völlig benebelt ist …
    Fünfzig Minuten später steht er erneut rauchend unter der Markise des Hotels, riecht wie eine blumige Hölle und beobachtet, wie sich die Zeiger seiner Uhr bewegen. Erst als genau eine Stunde seit dem letzten Anruf verstrichen ist, wählt er in der Eingangshalle an einem Telefon ihre Nummer. Seine penible Pünktlichkeit ist nahezu obszön. Und sie gibt eigentlich auch so manches zu verstehen. T weiß das und greift trotzdem nach dem Hörer. Um Punkt 12.47 Uhr wählt er die Nummer. »Suzanne?«
    »Ja, hallo.«
    »Kannst Du jetzt freier sprechen?«
    »Mehr oder weniger … Leider klappt es bei mir heute nicht. Hier ist unheimlich viel zu tun.«
    »Und was hältst Du von einem Gläschen am Abend?«
    »Heute geht es leider überhaupt nicht. Wirklich.«
    »Okay … Und an einem anderen Tag?«
    Sie ist eine Weile still, bevor sie antwortet: »Ja … Das müsste eigentlich gehen.«
    »Samstag?«
    »Nnnee, da kann ich nicht. Samstags habe ich immer total viel vor. Da muss ich echt irre viel erledigen und so …«
    »Ich will Dich auch gar nicht weiter bedrängen und bin auch kein Psychopath oder so … Ich bin nur so neu hier in der Stadt und spreche die Sprache auch noch nicht so richtig … Da wäre es schön gewesen, ein bisschen mit Dir zu quatschen, ohne gleich wie ein Volltrottel dazustehen. Weißt Du. Ein bisschen Reden, Kaffee trinken …«
    »Klar, aber das ist echt wahr mit den Samstagen … Wie wär’s mit Sonntagvormittag?«
    »Ist perfekt. Wenn Du Lust hast, könnten wir frühstücken gehen oder irgendwo einen Aperitif trinken. Wie Du magst. Was machst Du normalerweise so an einem Sonntagvormittag?«
    »Puh: Da liege ich lang im Bett … Manchmal drehe ich eine Runde durch den Park. Aber zum Essen müsste ich wieder zurück sein. Da bin ich mit meinen Mitbewohnerinnen verabredet.«
    »Gut, dann treffen wir uns früh am Morgen im Park, was hältst Du davon?«
    »Nicht so ganz früh, ja? …«
    »Nein, nicht sehr früh … So um elf in den Strawberry Fields?«
    »O.K., um elf in Strawberry … Oh, entschuldige, ich muss jetzt Schluss machen, hier wartet jemand auf mich.«
    Als er auflegt, ist T davon überzeugt, dass dies der schwierigste Part war: die erste Verabredung hinzukriegen. Der Rest wird sich ganz von allein ergeben. Das hat er im Gefühl. Plötzlich geht ihm ein Satz aus einem Film durch den Kopf: »Ich habe Ozeane an Zeit durchquert, um zu Dir zu kommen«, das sagt Dracula zu Mina, seiner wiedergefundenen Liebe.
    ***
    T hat sich zwei Tage lang in der Stadt herumgetrieben. Allerdings lag ihm mehr daran, dass die Zeit bis zu seiner Verabredung am Sonntag so schnell wie möglich verstreicht, als an allem, was er um sich herum gesehen hat. Nachdem er abends irgendwo schnell etwas gegessen hat, fand er sich in den Nächten in einer Bar auf der 33. ein, die ihm passend dafür schien, um sich in aller Ruhe zu betrinken. Das Haus ist abgetakelt und hat eine triste Fassade. Daneben stehen mehrere Prostituierte ausdrucklos herum. Sie

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