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Im Namen Des Schweins

Titel: Im Namen Des Schweins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pablo Tusset
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so lang gedulden kann«, er lächelt.
    »Na ja, vorher werden wir wohl kaum etwas wissen, nehme ich an …«, sagt sie, beleuchtet vom Kopiervorgang.
    »Egal, ich würde gern Deine Stimme hören, und sei es auch nur, um zu hören, wie sie sagt, dass Du noch nichts weißt.«
    Sie kann die Überraschung nur schlecht überspielen:
    »Na schön … Ich bin ja hier.«
    T verlässt das Büro und hält die Visitenkarte nach wie vor in den Händen. Er liest: Instituto de Estudios Aplicados – Suzanne Ortega – Verwaltung – dann stehen da noch die Adresse und die Telefonnummer.
    ***
    Am nächsten Morgen schlendert T ohne klares Ziel durch die Straßen. Er kommt am Times Square heraus. Ein Typ in weiß aufeinander abgestimmten Tanga, Cowboystiefeln und Cowboyhut spielt auf einer der Mittelinseln Gitarre. Mehrere Touristen vorgerückten Alters stehen um ihn herum. Sie lassen sich nacheinander mit ihm fotografieren. Dazu stellt er sich entweder in der eingefrorenen Pose eines Rockstars neben sie oder wirft seine blonde Mähne wild nach hinten. Direkt neben einer solch kuriosen Ansammlung versucht ein sehr ernsthafter Verkehrspolizist, Ordnung in das Chaos auf der Straße zu bringen. Er wirkt konzentriert wie ein Dirigent vor seinem hupenden Orchester. Drumherum bilden die Scharen von Touristen gewissermaßen das Publikum auf den äußeren Bürgersteigen. Die immens hohen Gebäude im Hintergrund sehen mit ihren Neonleuchten und Werbebildschirmen aus wie das bunt gescheckte Theater, in dem die Vorstellung stattfindet.
    Wenn T nun schon einmal da ist, nutzt er die Gelegenheit und schaut bei Virgin’s rein. Sobald er über die Türschwelle getreten ist, kommt ein vertrautes Lied aus den Lautsprechern: Me gusta la mañanay me gustas tú … Er geht zu einer Informationstheke und versucht Burl Ives so auszusprechen, dass eine kleine Asiatin ihn verstehen kann. Es will ihm nicht gelingen und so schreibt er es auf einen Zettel: Oh, yes, Burl Ives, sagt sie. Aber leider ist nichts von ihm in stock. Auch nicht von Joe Jackson, dem Bluesman. Wohl aber von Joe Jackson dem Country singer. Als T mit leeren Händen wieder auf der Straße steht, verrenkt sich der Typ mit der Gitarre mittlerweile wie ein Bodybuilder. Die um ihn herum gescharten älteren Damen lachen sich halb schlapp. Sie werden immer vorwitziger und stecken ihm bereits Geldscheine in den Tanga.
    T läuft die Seventh Avenue hinunter. Er umkurvt viele Touristen und Händler. Hier werden yellow cabs angeboten, die zu Briefbeschwerern geschrumpft sind, dort Glaskugeln, in denen sich das für die Jahreszeit ungewöhnliche Phänomen des Schneefalls über dem World Trade Center beobachten lässt. Im Hotel angekommen, geht er in eines der kleinen Geschäfte in der Eingangshalle und kauft sich für zehn Dollar eine Telefonkarte. Dann steht er vor den öffentlichen Fernsprechern. Er zögert, aber das pragmatische Ich in ihm lässt ihm ausrichten, dass es nichts zu verlieren gibt. Flink tippt er die Zahlen ein und lauscht dann dem absurd hektischen Piepen in der Leitung, das auf dieser Seite der Welt wohl das Zeichen dafür ist, dass man warten soll.
    » Hello?«, sagt eine weibliche Stimme. T meint, Suzanne zu erkennen, ist sich aber nicht hundertprozentig sicher:
    »Can I speak to Suzanne Ortega, please?«
    »Yes, speaking. Who’s calling?«
    »Hi, ich war gestern wegen des Stipendiums bei Dir … Erinnerst Du Dich?«
    »Oh ja, hallo, ich kannte nur Deine Stimme auf Englisch noch nicht …«
    »Ja, klar … Ich rufe nur deshalb so schnell wieder bei Dir an, weil ich dachte, dass Du vielleicht Lust haben könntest, mit mir Mittagessen zu gehen.« Auf der anderen Seite der Leitung ist es still. T versucht die Stille zu füllen, bevor sie unangenehm werden könnte: »Überrumpelt?«
    »Na ja … Um ehrlich zu sein: ja, ein bisschen.«
    »Das kann ich mir vorstellen. Hast Du gerade einen Augenblick Zeit?«
    »Mmh … Ich bin hier gerade im Gespräch …«
    »Dann rufe ich Dich später an, ja?«
    »Ja … gut. Du hast mich gerade in einem ungünstigen Augenblick erwischt, weißt Du …«
    T möchte eine klarere Aussage: »Ich will Dich gar nicht länger stören, wenn Du beschäftigt bist. Sag mir bitte nur, ob ich Dich später anrufen darf.«
    Die Antwort kommt zögerlich, aber unmissverständlich: »Ja … ja.«
    »In einer Stunde?«
    »Gut …«
    »Abgemacht. Bis später.«
    »Bis später …«
    T legt auf. Sogleich schaut er auf die Uhr: 11.47. Er holt tief Luft, atmet sie dann

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