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Im Namen Des Schweins

Titel: Im Namen Des Schweins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pablo Tusset
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…«
    »Ein alter Kindheitstraum von mir war, Bäcker zu werden. Oder Taxifahrer …«
    »Wie kommst Du denn auf Bäcker oder Taxifahrer?«
    »Ich weiß auch nicht, das sind halt so Träume … Ich glaube, Bäcker fand ich immer gut, weil es so handfest und nützlich ist. Gleichzeitig ist es ein fast mythisches Handwerk. Das Brot ist doch das Symbol für Nahrung schlechthin. Bäcker haben in diesem Sinn etwas von einem Hierophanten.«
    »Das ist ja hier fast wie in der Schule. Wer zum Teufel ist denn nun schon wieder ein ›Hierophant‹?«
    »Eine Art Oberpriester, der die alten Bräuche zelebrierte … Und dann die Vorstellung von der Hitze der Backöfen, im Hemd rumzulaufen, während es draußen auf der Straße schneit … Das ist für mich eine sehr sinnliche Vorstellung.«
    »Und wie kommst Du auf die Idee, Taxi zu fahren?«
    »Das ist wahrscheinlich so etwas Ähnliches. Die Psychos bei uns von den Kriminalwissenschaften würden wahrscheinlich von den Anzeichen für intrauterines Heimweh sprechen: Während es draußen regnet, durchquere ich in meiner klimatisierten Blase die Stadt … Stereomusik, ein weicher Airbag und ich am Lenkrad …«
    »Mehr braucht es nicht, damit Du die dreifachen Whisky sein lässt? Ein anderer Job? Bei der Polizei aufhören und Taxi fahren?«
    «Ich würde mal denken, dass da noch ein paar andere Dinge dazukommen müssten.«
    »Zum Beispiel …?«
    »Okay, okay, ich weiß, worauf Du hinaus willst. Die Antwort ist: ›ja‹.«
    »Fantastisch! Wunderbar! Meine Begeisterung wäre grenzenlos, wenn Du mir nun auch noch die Frage verraten würdest.«
    »Ob ich Kinder möchte, Familienvater sein will … , oder was?«
    »Wie kommst Du bitte schön auf die Idee, dass ich Dich danach fragen wollte?«
    »Erstens: bist Du eine Frau. Das heißt, es ist überaus wahrscheinlich, dass Du Dich für solche Fragen interessierst. Zweitens: bist Du vierundzwanzig Jahre alt.
    Das heißt, es ist überaus wahrscheinlich, dass Du Dich für solche Fragen interessierst.«
    »Und wie war noch mal die Antwort? Ich kann mich gar nicht mehr erinnern?«
    »Was denkst Du Dir eigentlich? Als das 21. Jahrhundert anbrach, war ich schon nicht mehr der Jüngste.
    Und als die anderen Leute in meinem Alter Platten von Kaka de Luxe hörten, wurde ich in der Polizeiakademie einkaserniert … Das hatte zur Folge, dass ich etwa um die Jahrhundertwende stehen geblieben bin, auf dem Niveau einer Provinzstadt wie Santander oder sagen wir Sligo …«
    »Hast Du nicht vor ein paar Stunden noch behauptet, dass Du gern ein Apartment im East Side hättest? Und warst Du vorhin nicht zu sophisticated für Sligo?«
    »Wenn ich Dich richtig verstanden habe, willst Du jetzt wissen, wer ich gern sein würde und nicht, wer ich bin. Abgesehen davon können Widersprüche eine Form von sophistication sein, findest Du nicht? Sonst ist man doch sehr einfach gestrickt, wenn man immer in sich stimmig wäre. Die interessanteste Frage aber ist die: ›Kann ich der Mann werden, der ich gern sein würde, wenn ich zu dem Mann geworden bin, der ich jetzt bin?‹ Oder allgemeiner noch: ›Bis zu welchem Punkt sind wir von unserer Vergangenheit geprägt?‹«
    »Nicht mehr als man will.«
    »So ein Quatsch.«
    »Wieso?«
    »Nehmen wir ein Beispiel. Ich werde diese Stadt in Zukunft immer irgendwie vermissen. Falls ich nie wieder hierher zurückkomme, werde ich notwendig davon träumen, wieder einmal hierherzukommen. Und Dich werde ich ab jetzt auch immer vermissen, wenn ich Dich nie wiedersehen dürfte.« Mit ironischerem Tonfall: »An Dir bleibt man ganz schrecklich doli kleben.
    Hast Du das schon öfter gehört?«
    Suzanne macht die Geste für Koketterie, die sie immer macht, und wischt sich eine imaginäre Strähne aus der Stirn.
    »Noch nie von einem vierzigjährigen Polizisten in der Midlife-Crisis.«
    »Dreiundvierzigjährigen.«
    »Okay, dreiundvierzig.«
    In der Zwischenzeit sind die Musiker auf der Bühne erschienen und bereiten sich auf ihren Auftritt vor. Der Gitarrist zupft ein bisschen funky ambientmäßig herum, und der Schlagzeuger wirbelt zunehmend weniger schüchtern an den Trommeln.
    »Falls wir hierbleiben, bis sie anfangen, müssten wir auch bis zum Schluss bleiben, fürchte ich«, sagt T und trinkt schnell den zweiten Whisky aus, »es sind so wenige Leute da, dass es fies wäre, mitten im Konzert zu gehen …«
    »Umso besser, dann kannst Du mir mehr Dinge erklären, also los …«
    »Von wegen, ich habe mich Dir schon genug

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