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Im Namen Des Schweins

Titel: Im Namen Des Schweins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pablo Tusset
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etwas Ähnliches ist Dir nicht rein zufällig schon häufiger passiert …?«
    »Du bist ja gut. Denkst Du, ich wäre so durchgedreht und würde überall rumrennen und die Frau von dem Gemälde suchen?«
    »Wo hast Du als Kind das Bild gesehen?«
    »Bitte, spiel jetzt nicht schon wieder die Psychologin … Im Vorraum eines Arbeitszimmers.«
    Pause. Die Musiker im Hintergrund.
    »Es muss sehr speziell gewesen sein, wenn Du Dich immer noch so genau daran erinnerst …«
    »Ich kann mir genau vorstellen, was Du jetzt denkst:
    ›Patient ohne Mutterbindung ist besessen von einer weiblichen Ikone, die er in einem traumatischen Augenblick seiner Kindheit gesehen hat. Jahre später glaubt er, sie in jeder x-beliebigen Frau leibhaftig wiederzuerkennen …« In bedächtigerem Tonfall: »Schau Dir das Bild doch erst einmal an, echt. Du wirst merken, dass es aus mehreren Gründen ein besonderes Bild ist. Die Frau auf dem Gemälde, besser gesagt, Du, ihr habt beispielsweise überhaupt nicht viel vom Schönheitsideal der Renaissance. Es gibt Madonnen aus dieser Zeit, die uns heute eher hässlich vorkommen, weil sie so eigenartig aussehen. Und selbst die Madonnen, die uns heute noch besonders schön vorkommen, wie etwa die von Rafael, Andrea Mantegna oder eben die von Bellini gehören eher in die antike griechisch-römische Tradition: kaum Kanten, kleine Gesichtszüge, schmale, rosafarbene Lippen … Mit einem Mal, als er bereits über siebzig Jahre alt ist, entdeckt Bellini ein Loch in der Zeit und malt eine junge Schönheit des 21. Jahrhunderts … Er hat so etwas nie zuvor und auch nie wieder gemacht.
    Auch seine Zeitgenossen nicht.« T schaut Suzanne fest an, während er redet. Seine Stimme ist bedeutungsschwanger und langsam geworden. Ja, sie ist feierlich. »Diese Frau bist Du, Suzanne, da habe ich nicht den geringsten Zweifel, und ich habe Dich endlich gefunden …«
    Suzannes Augen sehen aus wie fliegende Untertassen. T rückt näher an sie heran und streicht ihr mit dem Handrücken über die Wange. Sie lässt es zu, nicht aber, ohne sich ein wenig zurückzuziehen.
    »Weißt Du, wer das Jesuskind ist, das Du in den Armen hälst? Weißt Du wessen Gesicht es hat?«, sagt T und flüstert fast dabei.
    Suzanne schluckt.
    »Wer?«
    T macht eine gewichtige Pause und kommt dicht an Suzannes Ohr heran. Dann murmelt er mit phantasmagorischer Stimme:
    »Alejaaandro Amenaaábar.«
    Suzanne blinzelt. Für einen Moment wirkt sie konfus. Ts Lächeln wird breiter, dann holt er Luft wie Hannibal Lecter, bevor das Lachen laut aus ihm herausplatzt. Suzanne zeigt eine übertriebene Gefühlsregung als Reaktion und versetzt ihm einen Schlag.
    »Du bist vielleicht ein Hammel, ich glaub Dir kein Wort mehr.«
    T lacht noch immer. Suzanne trinkt einen Schluck Whisky, entspannt sich nach und nach und geht auf das Spiel ein. Sie sei aber auch ein Dummkopf gewesen und hätte sich fast wirklich ein bisschen gegruselt … Der Alkohol hat bei beiden seine Wirkung getan, und schon bald sitzen sie wieder einträchtig beisammen. Nach und nach haben sich die Tische gefüllt. Man hört das Raunen der Gespräche. Niemand achtet auf die Musiker, die ein Lied nach dem anderen abspulen, ohne dabei allzu sehr zu nerven.
    »Schreib doch mal die Geschichte eines gefährlichen Verrückten auf, der Bellinis Madonna sucht …« Pause.
    »Woher weißt Du eigentlich so viel über Malerei … Von Andrea Mantegna und so?«
    »Von Malerei verstehe ich etwa so viel wie von Forellenbächen. Aber seit Jahren tue ich nichts anderes, als so zu tun, als wüsste ich, was ich nicht weiß. Und viceversa.«
    »Ich hätte Dir fast geglaubt. Dabei ist die Geschichte so unglaubhaft …«
    »Darf ich Dir etwas gestehen?«
    »Was?«
    »Es ist wirklich Alejandro Amenábar.«
    »Ja, ja …«
    »Geh morgen mal ins Internet und schau Dir das Gesicht an.«

In der Welt
    Um zehn geht der Kommissar hinunter in den ersten Stock in die Cafeteria, um sein Bocadillo zu essen. Er ist fast fertig, als Rodero auftaucht, der ihn schon von weitem mit einer Handbewegung begrüßt. Der Kommissar grüßt zurück. Er ist noch felsenfest davon überzeugt, dass sie kein Wort miteinander wechseln werden, als Rodero an seinen Tisch kommt.
    »Der Bart steht ihnen gut …«
    »Guten Tag«, sagt der Kommissar, aber selbst in seinen Ohren klingt der Ton zu kühl, der ihm herausgerutscht ist, deshalb fügt er hinzu: »Hier ist das Frühstück besser als drüben bei Ihnen, nicht wahr?«
    »Ich bin gar nicht zum

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