Im Namen Des Schweins
…«
»Ja, das Beste daran ist, sich für etwas einzusetzen. Aber mittlerweile füllt es mich nicht mehr richtig aus. Ehrlich gesagt, ist das schon seit einigen Jahren so. Ich habe Dir doch auf der Burg erzählt, ich glaube, es war das Erste, worüber wir geredet haben: Ich bin über vierzig und nicht zufrieden mit meinem bisherigen Leben. Die Kindheit war ein einziger Albtraum. Jetzt habe ich noch nicht mal richtige Freunde, habe eine Wohnung gemietet, in der ich nicht mal zwanzig Nächte im Jahr schlafe und verdiene mir das Leben damit, so zu tun, als wäre ich ein anderer, und das unter unangenehmen, manchmal auch sehr gefährlichen Menschen … Und in meiner freien Zeit fällt mir nichts Besseres ein, als zu trinken. Am liebsten so, dass ich mit niemandem reden muss, in irgendeiner ruhigen Kneipe.«
»Im Ernst? Redest Du nicht gern mit jemandem?«
»Über was? Fußball?«
»Nicht unbedingt Fußball. Was weiß ich … Über Deine Sachen.«
»Gut, manchmal rede ich mit Barkeepern. Barkeeper haben den großen Vorteil, dass du sie nur siehst, wenn du sie sehen willst. Aber wenn du sie brauchst, weißt Du, wo du sie findest. In dieser Hinsicht sind sie Freundschaften meilenweit überlegen. In meinem Alter vertraut man sowieso niemandem mehr richtig.«
»Mit dem Alter hast Du es aber …«
»Es spielt eine wichtige Rolle.«
»So sehr auch wieder nicht.«
»Ach? Du hast mich die ganze Zeit gesiezt, als wir uns das erste Mal sahen …«
»Ich sieze alle Leute, mit denen ich im Institut zu tun habe, selbst wenn mein kleiner Bruder dort aufkreuzen würde. Außerdem hast Du nicht gemerkt, dass ich mich albern fühlte, als wir uns das erste Mal gesehen haben.«
»Ach, echt? Erzähl mal genauer …«
»Na … hmm, ich war da irgendwie befangen: ein Chefinspektor mit grauem Bart, der eine Ausstrahlung hat wie Indiana Jones … Während ich einen blöden Witz erzähle und den Clown spiele. Wie immer.«
»Stimmt, ich wüsste zu gern, wie der Witz geht, denn ich habe kein Wort verstanden.«
»Den erzähl ich Dir ein andermal, wenn Dein Englisch ein bisschen besser ist …«
»So, so … Indiana Jones …«
»Ja, mit Bart. Ohne siehst Du aus wie James Bond … Weißt Du, was Debie gesagt hat, als Du weg warst?«
»Was …?«
»Dass sie Dich auch nicht gerade von der Bettkante schubsen würde … Und kannst Du Dir vorstellen, was ich ihr dazu gesagt habe? Ach, das sag ich lieber nicht.
Das ist mir peinlich …«
»Das habe ich ja gar nicht gemerkt …«
»Anständige Mädchen zeigen so was ja nicht … Obwohl … Hier könnte es passieren, dass Dir eine Amerikanerin aus bestem Hause an den Hintern geht, wenn Du nicht aufpasst. Aber ich bin eben keine Nordamerikanerin.«
»Sehr erfreulich … Ich mag es nämlich überhaupt nicht, wenn mir jemand an den Hintern grapscht. Außerdem bin ich heilfroh, dass ich auf die Idee gekommen bin, bei Dir das Stipendium zu beantragen, auch wenn das heißen würde, dass ich noch ein ganzes Jahr bei der Polizei bleiben müsste.«
»Möchtest Du kein Polizist mehr sein?«
»Nee … Ich glaube nicht. Zumindest nicht die Sorte Polizist, die ich bisher war.«
»Hast Du nicht gesagt, Du wärst ein alter Drachentöter?«
T zuckt mit den Schultern.
»Ich bin müde, und ich bin zu alt für diese Arbeit …«
»Oh, oh, schon wieder das Alter …«
»Also gut, nicht nur wegen des Alters … Ich hätte gern ein eigenes Leben, ein authentisches … Ich will nicht immer jemand sein, der ich nicht bin und Namen tragen, die nicht meine sind. Weißt Du, wie ich dort heiße? Alle nennen mich ›T‹. Nicht einmal die Kollegen nennen mich bei meinem vollen Namen. Ich bin einfach nur T. Bis jemand etwas anderes anordnet.«
Suzanne sieht für einen Augenblick ernst aus, und T sieht einen flüchtigen Moment lang wieder Bellinis Gemälde in ihr.
»Und was für Sachen machst Du da so? Was für Fälle ermittelst Du …?«
»Alles Mögliche, aber etwas Angenehmes ist nie darunter … Zwei Tage bevor ich losgeflogen bin, kam die Meldung von einem ziemlich fiesen Mord in San Juan del Horlá rein. Das liegt in den Bergen im Norden.
Dort haben sie eine Frau gefunden, die in einem abgelegenen Schlachthof in alle Einzelteile zerlegt und verwurstet wurde … Solche Sachen. Kannst Du Dir das vorstellen?«
»Das mag ich mir ehrlich gesagt gar nicht vorstellen. Sag mir lieber mal, was Du stattdessen gern machen würdest …«
»Jetzt sag ich ›Puh‹.«
»Na, komm, lass Dir was einfallen
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