Im Namen Des Schweins
sagt, er habe noch keine Lust, ins Hotel zu gehen. »Wollen wir nicht noch einen Absacker trinken? Ich weiß, Du musst morgen früh raus, aber …« Sie ist unschlüssig: »Puh, dann müsste ich mir morgen früh die Haare waschen und föhnen. Das sieht immer total bekloppt aus«; sie schielt und sieht durchgedreht aus.
»Aber hübsch bekloppt«, sagt T versöhnlich.
Sie biegen nördlich in die Bedford Street, um aus dem Getöse der großen Straßen rauszukommen. In einer Seitenstraße entdecken sie ein vielversprechendes Schild: Sunrise, Jazz Club. Hinter der offenen Tür steht eine Kassentheke. Ein dickbäuchiger Türsteher, fast ein Albino, steht mit groben, breiten Gesichtszügen davor. An den Wänden hängen Fotos von Musikern. Er begrüßt sie freundlich und sagt etwas, von dem T nichts versteht. Suzanne übersetzt: Der Auftritt beginnt in einer halben Stunde, falls wir bleiben möchten, müssten wir Eintritt zahlen. T gibt einen Schein und Copito de Nieve ihm einen Wortschwall zurück, von dem T ebenso wenig versteht. Während sie durch einen Flur zur Bar hinübergehen, fragt er Suzanne, was er gesagt habe. »Er hat einen skandinavischen Akzent und redet auch ein bisschen Slang«, tröstet sie. Er meint, die ersten zwei Getränke kosten mit den Eintrittskarten fünf Dollar. Drinnen läuft Tom Waits in unaufdringlicher Lautstärke, Step right up. Schummerlicht. Riesige L-förmige Bar. Gegenüber ist die Bühne, kaum zwei Treppenstufen erhöht. Unten stehen etwa 20 Tischchen im Parkett, von denen lediglich eins besetzt ist. Eine südamerikanische Kellnerin und eine Dunkelhäutige rücken Hocker in der Mitte des Lokals zurecht. Auf der Bühne steht ein Klavier, ein Schlagzeug und ein Kontrabass …
»Hey, wir sind immer zu früh …«, sagt Suzanne. »Puh, bleiben wir an der Bar?«
»Au ja … Ich bin ein Mann für die Theke.«
»Ich meinte ja nur, weil wir gerade so lang an einem Tisch saßen …«
»Und ich freue mich, dass Du es gesagt hast.«
»Warum?«
»Weil ich Frauen mag, die klar und direkt sagen, was sie wollen. Außerdem mag ich sehr, wie Du ›Puh‹ sagst.«
»Sage ich oft ›Puh‹?«
»›Puh …‹«
Der Barmann, ein Farbiger im schwarzen Hemd, mit schwarzem Jackett, gelben Augen und nuklearweißen Zähnen hat sich bereits die Mühe gemacht und ihnen zwei Untersetzer sowie einen Aschenbecher hingestellt. Suzanne bestellt sich einen Southern Comfort mit Eis. T hält die Eintrittskarten hin und bestellt einen dreifachen Jack Daniels. Der Barmann sagt, da müsse er zuzahlen. T versteht nichts. Suzanne hilft ihm aus der Patsche.
»Trinkst du immer einen Dreifachen?«, fragt sie dann.
»Na ja, in dieser Stadt ist alles extra large bis auf die Menge an Alkohol.«
»Stimmt … Trinkst du immer so viel? Entschuldige, aber Du weißt ja, wie indiskret ich bin …«
»Viel im Vergleich zu wem …«
»Keine Ahnung … Such Dir jemanden aus …«
»Verglichen mit Boris Jelzin trinke ich normal viel.«
»Boah … Jeden Tag?«
»Fast jeden Abend. Seit ich im Sabbatjahr bin. Obwohl … Auch wenn ich arbeite. Selbst im Dienst kommt es manchmal vor, dass ich was trinke. Obwohl ich dann darauf achte, mich zumindest nicht zu betrinken.«
Die Getränke kommen. Suzanne hebt ihr Glas: »Auf das Wohl von Bors Jelzin«, sagt sie mit russischem Akzent und sonorer Stimme.
Trinkpause.
»So, so … Und haust Du Dir auch andere Sachen rein? Oder nur Alkohol?«, vielsagende Kreisbewegungen rund um die Nasenspitze.
»Solange ich im Dienst bin: alles was gut kommt. Am häufigsten eigentlich Surrogate von Kokain, die gibt’s gleich um die Ecke.«
»Und wenn Du nicht im Dienst bist?«
»Dann nie Koks. Das macht mich nervös, höchstens wenn ich viel Alkohol getrunken habe oder morgens gegen den Kater, aber dann versuche ich eigentlich eher mit Fruchtsäften und heißem Kaffee klarzukommen. Für mich privat nehme ich eher mal Downer. Im Grunde bin ich Trinker. Was noch …? Halluzinogene habe ich noch nie genommen, nicht mal im Dienst … Die machen mir Angst, wie die Psychopathen. Ich glaube, damit wäre mein toxikologischer Befund komplett.«
»Dazu noch der Tabak …«
»Okay, ich rauche auch noch. Lucky Strike. Aber das mache ich nur, weil mir das Design der Päckchen so gut gefällt.«
Pause.
»Sag mal, weißt Du eigentlich, dass Du ein ziemlich schräger Vogel bist?«
»Och, verglichen mit Boris Jelzin …«
»Ja, ja, klar … Aber ich nehme an, Dein Leben hat auch seine positiven Seiten
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