Im Namen Ihrer Majestät
Gesang?«
»Nein, das kostete nicht allzuviel. Ich habe einmal von einem Lord gelesen, der sich mit der Jagd ruinierte. Ach nein, übrigens, das war ein Maharadscha. Vielleicht Aktienspekulationen, besonders wenn wir von den zwanziger und dreißiger Jahren sprechen. Jede Zeit hat ihre Methode, mit der man sich ruinieren kann. Unsere schwedischen Lords haben es durch Immobilienspekulationen und andere Albernheiten geschafft. Unser Herzog ist also knapp bei Kasse?«
»Ja, vergleichsweise«, erwiderte Tessie mit einem breiten Lächeln. »Wenn ich das Ganze richtig verstanden habe, ist er von allen Herzögen in Schottland zwar der feinste, aber gleichzeitig der ärmste. Du glaubst nicht, daß er dich eingeladen hat, um von dir Kohle zu leihen?«
»Das kann ich mir unmöglich vorstellen«, sagte Carl und machte eine, wie es schien, königliche arrogante Geste. »Ein echter Hamilton, der aufgrund kluger Eheschließungen seit dem dreizehnten Jahrhundert zur besten Gesellschaft gehört, würde niemals so tief sinken. Wie redet man einen Herzog übrigens an?«
»Euer Gnaden«, kicherte Tessie.
»Wie bitte?!«
»Doch, ich schwöre! Es heißt so. Es steht hier in der rosafarbenen Dokumentation.«
»Wie zum Teufel finden die so was heraus«, seufzte Carl matt und strich sich über die Stirn.
»Für den schwedischen Nachrichtendienst gibt es keine Geheimnisse«, entgegnete Tessie mit dramatischer Baßstimme.
»Nein, offenbar nicht. Euer Gnaden… Glaubst du tatsächlich, daß wir den Kerl so anreden müssen?«
»Keine Ahnung. Wir werden wohl die anderen fragen oder es ihnen nachmachen müssen. Unser Freund Angus hat übrigens vier Kinder. Da haben wir Alexander, neunzehn Jahre. Marquis von Douglas und Clydesdale, Lady Anne, sechzehn Jahre, Lord John, dreizehn Jahre, und Lady Eleanor, neunzehn Jahre, Vorsitzende des Fanclubs des Popstars Fish!«
»Fish! Gibt es einen Popstar, der Fish heißt?«
»Keine Ahnung. Es muß irgend was eng… Verzeihung, britisches sein!«
Sie lachten gleichzeitig los. Großbritannien war ihnen vollkommen fremd. Ein eigentümliches Gefühl, wenn man bedenkt, daß alle Welt Englisch spricht. Sie hatten zweieinhalb Tage auf britischem Territorium verbracht, vierundzwanzig Stunden in England und den Rest der Zeit in Schottland. Natürlich hatte man sie überall als Amerikaner angesehen, da Tessie es tatsächlich war und Carl sich so anhörte. Die Menschen waren sehr freundlich. An den Tankstellen, in denen ihre Kreditkarten nicht akzeptiert wurden, in Restaurants, in denen sie das Wechselgeld nicht auseinanderhalten konnten, und in den Hotels, in denen sie zunächst zahlreiche Formulare ausfüllen und im voraus bezahlen mußten, bis sich herausstellte, daß sie Europäer waren, vielmehr daß Mr. Hamilton es war. Wie auch der einige Monate alte Ian Carlos. Doch hinter all dieser Freundlichkeit, auf die sie trafen, steckte auch eine bemerkenswerte herablassende Attitüde, als müßte man langsam sprechen, da das Gegenüber ein wenig unwissend ist, als wären Amerikaner so etwas wie Halbidioten oder zumindest Kinder, die allein nicht zurechtkommen.
Bei einer einzigen Gelegenheit hatte sich die Haltung der Einheimischen so blitzschnell wie überraschend verändert. Nämlich bei der Anmeldung in dem Hotel, in dem sie jetzt wohnten. The Caledonian war vermutlich das älteste und feinste Hotel Edinburghs. Der Empfangschef hatte sie selbstverständlich für Amerikaner gehalten und war, wenn nicht gerade unhöflich – sowohl in England als auch in Schottland undenkbar, solange der Gast bezahlen kann –, so doch zumindest eine Spur arrogant gewesen. Nur eine Spur. Auf diese typisch britische Art und Weise.
Bis dem Mann aufging, daß er es mit einem schwedischen Hamilton zu tun hatte.
Danach wurden sie vom gesamten Hotelpersonal, von den Putzfrauen bis hin zu den Kellnern, mit dem Adelstitel angeredet. Von da an nannten sie ihren Sohn manchmal scherzhaft Lord Ian Carlos. Bis Tessie in dem rosafarbenen Studienmaterial entdeckte, daß es so nicht heißen konnte. Sie sei Lady Tessie, erklärte sie. Ian Carlos könne nicht Lord Hamilton sein, da er kein Brite sei. Das Kind sei nur Count Hamilton.
Als der Regen an diesem dritten Tag aufhörte und ein schwacher Sonnenstrahl durch die Tüllgardinen drang, nahm sich Carl feierlich die rote Mappe mit der Aufschrift Operative Anweisungen vor.
In der Mappe befanden sich die wenigsten Unterlagen. Sie fanden eine Karte, die das »Ziel« benannte: das Geschäft
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