Im Namen Ihrer Majestät
zehnjährigen Versuchen gleichwohl geköpft, nachdem er sich an die Spitze einer schottischen Streitmacht gestellt hatte, die allzu halbherzig versucht hatte, die Engländer unter Cromwell zu besiegen. Der Herzog wurde gefangengenommen und als Landesverräter vor Gericht gestellt. Er wies die Anklage mit dem Hinweis zurück, er sei Schotte und müsse folglich als Kriegsgefangener betrachtet werden und nicht als Landesverräter. Man lastete ihm aber an, für den inzwischen abgesetzten englischen König gearbeitet zu haben, der ihm überdies zu seinem Titel verholfen habe. Folglich wurde er geköpft.
Carl seufzte. Die Geschichte der Hamiltons handelte meist davon, wer wen geheiratet hatte. Sogar in dem Buch über Maria Stuart, das der jetzt lebende Herzog, ihr Gastgeber, geschrieben hatte, ließ sich nur schwer ersehen, worin die ruhmreiche Vergangenheit gelegen haben sollte. Die Hamiltons hatten offenbar viel mit Maria Stuart zu tun gehabt, und einer von ihnen war einige Jahre lang ihr Stellvertreter gewesen. Doch auch sie war geköpft worden.
Carl begnügte sich damit, einige Details zu memorieren, die für etwas Konversation reichen würden, falls der Herzog ihn fragte, ob er das ihm zugesandte Buch gelesen habe. Im Gedächtnis blieb ihm etwa das rätselhafte Kinderskelett, das in der Festung auf dem Felsen in ein Schloßfundament eingemauert worden war. Die Legende oder Zeitungsente oder was immer es war beschrieb, daß das Kinderskelett genau dort gefunden worden war, wo man Maria Stuart 1566 gefangengehalten hatte. Demnach wäre ihr Sohn, der spätere Jakob VI. von England, ein Wechselbalg gewesen, ein Ersatz für ihr totgeborenes Kind, das in den Felsen eingemauert worden war. In dem Fall würde die schottische Königskrone eigentlich der Familie Hamilton zustehen, die immerhin seit dem sechzehnten Jahrhundert richtig geheiratet hatte.
Carl schaufelte die historischen Referate zu einem kleinen Haufen zusammen und stopfte sie wieder in die grüne Mappe; ihr Paket war nach dem beim ersten Nachrichtendienst üblichen Verfahren zusammengestellt worden. So bedeutete beispielsweise eine grüne Mappe historisches Hintergrundmaterial.
Er stand mit einer resignierten Geste hastig auf und warf die Mappe auf den Glastisch vor Tessie, zog die weiße Tüllgardine zur Seite und warf einen Blick aus dem Fenster. Es hatte den Anschein, als hätte der Wind aufgefrischt. Eine Windbö schleuderte eine Kaskade von Regenwasser gegen das Fenster. Er und Tessie mußten noch gemeinsam etwas erledigen, also mit Kinderwagen, bevor die Geschäfte schlossen. Doch damit sollten sie noch einen Augenblick warten.
»Also«, sagte Carl und drehte sich um. »Früher heirateten sie reich und wurden geköpft. Was haben sie in der Neuzeit gemacht?«
»Geköpft wurde keiner mehr, doch das liegt wohl hauptsächlich daran, daß diese Maßnahme sogar in England in einem frühen Stadium abgeschafft worden ist«, kicherte Tessie.
»Großbritannien«, korrigierte er. »Der schwedische Nachrichtendienst ermahnt uns in diesem rosa Umschlag, vorsichtig zu sein. Auf dem Umschlag steht Manieren und Etikette. Dämlicher Einfall, übrigens, wir verwenden nie rosagefärbte Mappen. Jedenfalls warnen sie uns davor, Schottland England zu nennen und umgekehrt. Nun, was ersehen Sie aus den Akten, Frau Anwältin?«
»Erstens, daß wir einen Burschen mit einem starken Vaterkomplex kennenlernen werden«, lächelte Tessie spöttisch und warf den Kopf in den Nacken.
»Steht das da?« fragte Carl erstaunt. »Woher wollen die das wissen?«
»Nein, es steht nicht ausdrücklich da, aber die Umstände deuten zumindest an, daß diese Schlußfolgerung im Bereich des Möglichen liegt, wie wir Juristen sagen«, entgegnete Tessie und schlug auf ihre Mappe. »Unser Typ, also dieser Angus, den wir morgen treffen sollen, ist der 15. Herzog von Hamilton. Sein Vater war folglich der 14. und offenbar ein recht harter Bursche. Schottischer Meister im Boxen, und ich glaube nicht, daß die rothaarigen schottischen Vertreter der Arbeiterklasse sich mit ihren Schlägen zurückhielten, nur weil der Gegner Herzog war. Flieger-As im Zweiten Weltkrieg, Rennfahrer, der erste Pilot der Welt, der mit einer einmotorigen Maschine um den Gipfel des Mount Everest flog; später übrigens auch von der Nazi-Staatsführung in Deutschland hoch geachtet.«
»Wie bitte!?« rief Carl aus. »War er Nazi?«
»Keineswegs«, sagte Tessie. »Dann wäre er wohl auf jeden Fall geköpft worden. Nein, es war
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