Im Netz der Meister (German Edition)
keine devoten und keine dominanten Männer mehr für mich.«
»Danach warst du aber noch ganz begeistert, Lady.«
»Ich mag das nicht erklären, Arno. Ich werde mich noch heute bei Love.Letters verabschieden und mich künftig wieder ausschließlich um meine Familie kümmern.«
»Das wirst du nicht schaffen, Lady, niemand läuft vor seiner Bestimmung davon.«
Simone wollte nicht mit ihm diskutieren und zugleich vermeiden, dass er versuchte, sie zum Bleiben zu überreden.
Sie wechselte das Thema: »Was ist so wichtig, dass du mich morgens um diese Zeit in den Messenger lockst?«
Arno schickte ein großes Smiley.
»Ich werde mich verloben, Lady, und du bist herzlich zu einer kleinen Feier eingeladen.«
Was? Simone konnte nicht fassen, was sie las. Der alte Sack wollte sich verloben! Doch wohl nicht mit Karin? Ach du lieber Himmel. Arno war fast siebzig.
»Mit wem?«, fragte sie, obwohl sie die Antwort wusste.
»Lady, sei nicht so scheinheilig, du weißt genau, dass Fleurchen und ich uns seit Wochen treffen.«
Fleur Cardinal, Fleurchen... Simone lachte auf und dachte an Karin, die, plüschig rosa gekleidet, mit schaukelnden Plastik-Ohrringen und kettenrauchend in ihrer Auerberger Hochhauswohnung hockte und so gut wie immer online war.
»Und dass ihr euch trefft, ist Grund genug, um sich mit ihr zu verloben? Arno! Ich hab in euren Gästebüchern gelesen, dass ihr euch trefft und wo ihr euch trefft und wen ihr beim Treffen getroffen habt und dass alles ganz toll und romantisch und erotisch ist.«
»Du bist gut informiert, Lady.«
»Kunststück, wenn ihr alles, was euch betrifft, lang und breit veröffentlicht. Wach mal auf, Arno, es ist Zeit, das Gehirn wieder einzuschalten!«
»Lady, was wir wie tun, das müssen wir alleine wissen und wir wissen es auch. Du wirst einem alten Dackel wie mir schon zutrauen müssen, dass er weiß, was er tut! Fleurchen ist eine wunderbare Frau, die Queen of Subs, la Belle de Jour! Ihr beide ... zusammen ... das wäre übrigens ein Männertraum, Schneeweißchen und Rosenrot. Ich muss mal raus, Lady. Die Verlobung ist in drei Monaten, also am fünften Mai. Und: Du kannst gerne deinen Mann mitbringen.«
Dann war er offline. Das fehlte noch. Gerald mitbringen.
Arno tickte doch nicht ganz richtig. Als ob sie überhaupt zu Karins Verlobung gehen würde, nach allem, was diese widerliche Schlange ihr angetan hatte. Nein, die Sache mit Mark war zu heftig gewesen. Ob Karin überhaupt wusste, wen ihr »Verlobter« einlud?
Simone seufzte. Arno. Dieser Mann war ein verrückter Hektiker, sogar schriftlich. Vor allem war er offenbar innerlich völlig zerrissen, denn bei Karin würde er doch sicher den Dom geben und nicht den Damenwäscheträger im Blümchenkleid. Wenn er sich wirklich mit ihr verloben würde, sie also heiraten wollte, was wurde dann aus seiner langjährigen Domina Lady Domme? Was fand Karin an ihm?
Simone dachte an seinen großen, weißen Bauch, an die rasierten Beine, die dunklen Zähne. War er der Mann, der Dom, den Karin gesucht hatte, oder war er der Versorger, den sie sich schon so lange dringend gewünscht hatte? Sie wird doch keinen Rentner heiraten, ohne auf sein Vermögen zu schielen.
Simone vergaß, dass sie sich eigentlich sofort verabschieden wollte. Sie loggte sich bei Love.Letters ein und verfolgte die virtuellen Klatsch-Geschichten in den Gästebüchern der Beteiligten und in Arnos Gruppen »Lustfesseln« und »Damendiener«.
Sie war lange nicht mehr dort gewesen und hatte noch nicht bemerkt, dass Arno die Moderation beider Gruppen abgegeben hatte: Lady Domme war nun alleine »Chefin« der »Damendiener«, Annika, die kleine Annika, die damals nachts vor Arno geflüchtet und zurück zu Mann und Kindern gefahren war, moderierte nun die »Lustfesseln«. Arno und Karin hatten unter den neuen Nicknames Milord und Mylady eine neue Gruppe eröffnet, die sie »Liebesleben« nannten; sie wiesen auf etwa zwanzig ihrer verschiedenen Profilseiten, die sie unter ebenso vielen Namen betrieben, darauf hin. Simone surfte über die Seiten, sah die Onlinezeiten der beiden – und bemerkte, dass sie beide täglich mit jedem Nick präsent waren. Simone schüttelte den Kopf. Nein.
Sie wollte nicht so enden, in dieser wirren, virtuellen Welt, in der niemand wusste, mit wem er es wirklich zu tun hatte. Es hatte doch keinen Sinn, sich täglich stundenlang in Fach-Foren über SM auszutauschen, über immer dieselben Fragen zu diskutieren, immer wieder dieselben Fantasien und
Weitere Kostenlose Bücher