Im Netz der Meister (German Edition)
Frau, denn sonst kann ich nicht wissen, was ich Ihnen bringen soll.«
Karin zog eine Schnute und warf trotzig den Kopf in den Nacken, ihre Ohrringe klimperten.
Simone kicherte, einige Gäste an den Nebentischen, die den Auftritt interessiert verfolgten, auch. Karin bestellte einen Sauvignon, »aber nicht zu kalt, s’il vous plait«, lehnte sich zurück und nestelte ein Zigarettenetui aus ihrer Gucci-Tasche.
Meine Güte, dachte Simone, die gibt ja eine tolle Vorstellung , als Karin eine Zigarette in eine lange, elfenbeinfarbene Spitze steckte und sie mit einem Dupont-Feuerzeug anzündete.
Simone konnte sich ihren Spott nicht verkneifen: »Todschick, dein Outfit. Und so eine schöne Tasche. Und echte Nylons. Dein derzeitiger Verlobter sorgt wirklich rührend für dich.« Und nach drei Sekunden Stille, in denen Karin breit und milde lächelte, fuhr Simone, nur eine Idee die Stimme hebend, fort: »Bist du eigentlich immer noch arbeitslos?«
Karin schnappte bestürzt nach Luft, sah sich hektisch um, ob jemand diese Bemerkung gehört hatte, hatte sich aber schnell wieder im Griff und sagte leise: »Warum so bösartig, meine Liebste? Immer noch mir nachtragend, dass es einst diesen Einen gab, der mich dir vorzog?«
Dann machte sie eine lässig abwinkende Handbewegung und ließ den Brilli erneut blitzen, auf eine Antwort von Simone wartete sie nicht, denn sie plapperte sofort weiter: »Ich verstehe deine Motive nicht, liebste Simone. Gewiss, an manchen Menschen scheiden die Geister sich, sie, hm, ja, sie polarisieren, man muss sie oder ihre Art zu denken und zu leben keineswegs mögen, noch ihre Meinung teilen. Aber Grund für solche Feindseligkeit, wie du sie mir ... nein, nein, nein, das ist nicht fair.«
»Karin, wir brauchen nicht mehr über irgendwelche Gründe und Absichten zu reden, denn für mich ist der ganze virtuelle Zirkus zu Ende. Was gewesen ist, ist vorbei und vergessen.«
Karin nickte und ihre Chandeliers schaukelten ungestüm. »Ich hörte davon. Und ich sah, dass du deine Love.Letters-Seite schlossest, jaja. Indes, niemand läuft vor sich selbst davon, auch dir, meine liebste Simone, wird es nicht gelingen. Solche Torturen der gewollten Abstinenz sind viel schlimmer als die bittersüßen Quälereien, die du bisher suchtest.«
Sie beugte sich vertraulich vor und rezitierte: »Sehnsüchte irren, wenn sie weinen, um irgendein verlornes Ziel ...«
Simone wollte diese Richtung des Gespräches nicht und wechselte abrupt das Thema: »Ihr seid also wirklich verlobt?«
Karin lächelte und leckte sich über die Schneidezähne. Sie betrachtete mit ausgestrecktem Arm den Ring an ihrer Hand und drehte ihn kokett im Sonnenlicht. »Arno, Milord, er ist der eine, auf den ich gewartet habe.«
»Das denk ich mir, ein Professor im besten Alter ...«, antwortete Simone trocken. »Ziehst du eigentlich zu ihm nach München oder zieht er zu dir nach Auerberg? Und: Was sagen deine Kinder und deine Ex-Ehemänner dazu?«
Karin ignorierte die Frage, nahm einen großen Schluck aus ihren Glas, den letzten, dann stand sie auf, nestelte einen Geldschein aus der Gucci-Tasche und warf ihn auf den Tisch.
»Unsere Einladung gilt, weil er es so will. Und weil ich will, dass er bekommt, was er will. Wir feiern in Hamburg im Club Sylvia. Eine SM-Verlobung. Näheres wird noch schriftlich in den nächsten Tagen verlautbart. Wenn ihr kommt, Gerald und du, dann bitte in entsprechender Garderobe.«
Sie wandte sich zum Gehen, hielt aber noch einmal kurz inne und sagte: »Habe die Ehre, ma chère Simone.«
Eine Parfümwolke zurücklassend, stöckelte Karin auf traumhaften Wildlederpumps Richtung Sternstraße.
Simone lachte innerlich und seufzte zugleich. Was sollte sie von dieser Vorstellung halten? Was sollte sie tun? Die Einladung ignorieren? Sie annehmen? Gerald davon erzählen? Ausgeschlossen.
Wie sollte sie ihm erklären, dass die Verlobung in einem Hamburger SM-Club stattfand?
Nein. Sie hatte beschlossen, sich aus der Szene zurückzuziehen und der Abbruch zu allen, wirklich allen Kontakten gehörte dazu. Schluss.
Natürlich würde sie die »Verlautbarung«, wie Karin es genannt hatte, in den Müll werfen.
Abends konnte Simone nicht einschlafen. Würde sie es schaffen? Konnte sie ihre Sehnsüchte wirklich verdrängen? Sie gar ignorieren? Hatte Karin Recht, war der dauerhafte Verzicht auf das Ausleben ihrer Neigung eine schlimmere Tortur, als die Sessions, in denen sie sich gerne und lustvoll hatte quälen lassen?
Ach
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