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Im Netz der Meister (German Edition)

Im Netz der Meister (German Edition)

Titel: Im Netz der Meister (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Berling
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abschließen, keine Verabredung über Machtverteilungen treffen, kein Spiel spielen, keine seelenlose Session durchziehen. Sie wollte kein Spiel mehr mit einem Dom, der eine feste Liturgie zelebrierte, weil er sonst aus dem Konzept kam. Sie wollte keinen oberflächlichen Partygänger, der sie vorführte, um sich mit ihr zu schmücken, keine Sklavinnensucher und von Machträumen besessene Verklemmte. Nein.
    Sie wollte es echt, sie wollte es leben und nicht mehr spielen. Sie wollte sich führen lassen. Und sie war bereit, jeden Preis dafür zu zahlen.
    Die Erkenntnis traf sie unvermittelt, aber es waren keine wirklich fremden Gedanken. Vielleicht hatte sie es gewusst, lange schon, es nur nicht zugelassen, diese Gedanken zu Ende zu denken. Jetzt war es erleichternd, Gewissheit zu haben.
    Als sie wortlos aufstand und zur Garderobe ging, folgte Cornelius ihr. Er sagte nichts, nicht im Taxi und nicht im Hotel. Er hatte verstanden, was in ihr vorgegangen war, und sie war ihm sehr dankbar, dass er sie in Ruhe ließ. Sie selbst verstand nichts mehr.

    Als sie dieses Mal nach Hause kam, mochte sie Gerald nicht in die Augen sehen. Nicht, weil sie sich schämte oder ein schlechtes Gewissen hatte, nein, darüber war sie hinaus. Hätte er sie nach ihren Erlebnissen des vergangenen Wochenendes gefragt, wäre sie ärgerlich geworden, weil er sie zum Lügen genötigt hätte. Aber er fragte nicht.
    Er saß in der Küche und las Zeitung, als sie die Diele betrat und ihren Koffer abstellte. Sie stand in der Küchentür, er sah sie über den Rand seiner Lesebrille hinweg an und sagte nur: »Na, du?«
    Simone hängte ihren Mantel an die Garderobe. Einen Moment lang blieb sie unschlüssig stehen, wusste nicht recht, wohin sie gehen und was sie tun sollte.
    Zu Gerald gehen? Ihm einen Kuss geben? Das wäre normal gewesen, aber was war in ihrem Leben schon noch normal? Sollte sie lieber gleich den Koffer auspacken, die verräterischen Dessous, die Stiefel und die Domina-Utensilien verstecken? Hätte Gerald sie nicht anders begrüßen müssen? Vielleicht wusste er längst, was sie seit so langen Monaten tat? Konnte er es überhaupt übersehen?
    Simone war fremd in ihrem eigenen Haus, sie fühlte es, konnte aber diesen Gedanken nicht zulassen.
    Die Mädchen freuten sich, dass sie wieder da war, umarmten und küssten sie und wandten sich wieder dem Fernseher und der Schüssel mit Chips zu.
    Mit hängenden Schultern ging Simone langsam nach oben.
    In der Tür zum Schlafzimmer hielt sie einen Moment lang inne. Sie sah auf das breite Bett und die bunten Bezüge, ließ ihren Blick weiterwandern zu den passenden blauen Vorhängen und den rustikalen Gabbeh-Teppichen, musterte den teuren, hellen Holzschrank mit dem ovalen Spiegel in der mittleren Tür, den Korbsessel davor.
    Es würde nie mehr so sein wie früher. Nicht hier, in diesem Zimmer, nicht in diesem Haus und schon gar nicht in ihrer Seele. Sie setzte sich auf die Bettkante und heulte.

    Als Simone am Montag wieder in ihrem Buchladen war, als der Computer lief und sie mit einer Tasse Kaffee in der Hand und einer qualmenden Zigarette im Aschenbecher ihre Mails las, fühlte sie sich wieder halbwegs normal. Aber die innere Leichtigkeit hielt nicht lange an.
    Sie wurde zunehmend unruhig, nachdenklich, sie konnte ihre Gedanken nicht sortieren, fand den roten Faden nicht. Was war ihr nun wieder passiert?
    Eine schöne Session mit Cornelius, bei der sie sich selbst kaum wiedererkannt hatte.
    Eine ganz andere Session, die sie als Zuschauerin mit völlig gegensätzlichen Empfindungen erlebt hatte und die ein Gefühl hinterlassen hatte, als bohrte jemand mit einer heißen Nadel in ihrem Hirn herum.
    Der Gedanke daran, eine Session so erleben zu können, wie sie es bei Sanne und Michael gesehen hatte, faszinierte sie in der einen Minute, die Erinnerung an ihren Auftritt als Domina in der nächsten.
    Was wollte sie?
    Wen musste sie suchen, damit sie sich selbst fand?
    Wer bin ich?
    Diese Frage schrieb sich wie eine fettgedruckte Überschrift vor ihre Augen und Simone las sie wieder und wieder. Etwas in ihr sagte Sätze wie:
    Du bist Simone, Geralds Frau, Jennys und Julias Mutter.
    Das war nicht die Antwort, die sie suchte.
    Du bist Frau Sänger, die Buchhändlerin mit dem Spezialsortiment für BDSM Literatur.
    Na und? Was war das schon, ein Lebensinhalt? Nein.
    Du bist eine Fremdgängerin, eine Schlampe, die ihren Mann belügt und mehr an sich selbst als an ihre Kinder denkt.
    Ja.
    Du bist eine, die es

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