Im Netz der Meister (German Edition)
schweißnass auf. Gerald atmete neben ihr tief und gleichmäßig. Er lag auf dem Rücken. Die Hände hatte er unter dem Kopf verschränkt. Sie sah ihn im Halbdunkel an. Warme Zärtlichkeit mischte sich mit eisiger Angst.
Wann hatten sie sich verloren? Warum hatte es so weit kommen müssen, dass sie ihn so schamlos hinterging und betrog? Hatte ihr das, was sie mit Boris, Karel, Mark, Theo, Arno und Cornelius erlebt hatte, wirklich gefehlt? Zu ihrem Glück? Zu ihrer Zufriedenheit? Oder hatte diese Neigung, diese Obsession, genau das zerstört? Ihr Glück. Und ihre Zufriedenheit.
Simone begann wieder zu weinen, leise, um ihn nicht aufzuwecken.
Sie gehörte doch hierher, zu Gerald und den Kindern! Sie gehörte nicht in SM-Clubs, nicht auf bizarre Partys, nicht an Andreaskreuze gefesselt und nicht in die Gesellschaft alter Männer in Luxushotels. Das alles musste ein Ende haben. Sie durfte es nicht wieder tun.
Nie wieder eine Session, nie wieder ein devoter Mann, nie wieder ein Dom.
Nie wieder Love.Letters.
Schluss damit.
Simone setzte sich im Bett auf.
Das war es.
Das war die Lösung. Sie würde alles beenden, gleich morgen früh würde sie alle virtuellen Brücken abbrechen und es nie wieder tun.
Es würde ganz einfach sein. Sie hatte bis heute Glück gehabt, es war nichts aufgeflogen, ihre sechs Abenteuer waren ihr Geheimnis, das sie für sich hüten würde, bis sie alt und grau war. Sie hatten ihr Selbstbestätigung gegeben, sie hatten ihr Lust beschert, sie hatte gelitten und genossen, sie hatte intensiv jenseits ihrer Konventionen gelebt. Das musste reichen.
Simone atmete tief ein und aus, wischte sich die Tränen ab und legte sich wieder hin. Sie kuschelte sich dicht an Gerald, legte ihren Kopf auf seine Brust, so wie früher, so wie immer, ganz vertraut. Er nahm, als hätte sie auf einen Knopf gedrückt und einen Mechanismus ausgelöst, eine Hand hinter dem Kopf weg und legte sie um Simones Schulter.
Sie hatte nicht bemerkt, dass er nicht schlief.
Obwohl sie diese unruhige Nacht gehabt hatte, war Simone am Morgen gut gelaunt und nahezu euphorischer Stimmung. Julia schaute erstaunt, als Simone sie, auf der Bettkante sitzend und ihr zärtlich übers Haar streichelnd, weckte.
»Mama! Hast du frei? Hast du es heute gar nicht eilig?« Simone gab ihrer Tochter einen Kuss auf die Wange.
»Nein, meine Süße. Ich bin eher aufgestanden, damit ich euch in Ruhe wecken kann. Es gibt Toast und frischen Obstsalat zum Frühstück, hopp, steh auf.«
Julia strahlte und ihr Lächeln machte Simone traurig.
Mein Gott, ich bin eine solche Rabenmutter. Ich habe sie so sehr vernachlässigt, in den kleinen Dingen, und Julia hat diese kleinen Dinge vermisst.
Wann hatte sie zuletzt während der Woche Frühstück für die Mädchen gemacht? Simone wusste es nicht.
Jenny kam ihr im Flur entgegen, sie hatte geduscht und rief: »Hey, Mama, hast du was eingenommen oder warum grinst du schon morgens um acht?« Simone lachte und gab ihr einen Klaps auf den Po.
Alles, alles würde ab heute wieder so sein wie früher. Sie hatte diesen Kick, diese Erleuchtung gehabt, jaja, ein neues Leben begann heute.
Gerald sagte nicht viel, aber das fiel nicht weiter auf, er war eben ein unverbesserlicher Morgenmuffel. Heute Abend würde sie ihn schon aus der Reserve locken, sie wollte ihn verführen, Liebe machen, zärtlich und liebevoll sein, so wie früher.
Simone lächelte ihn verschmitzt und befreit an, aber er blickte nur kurz über den Rand der Zeitung hinweg zu ihr und vertiefte sich dann wieder in seine Lektüre.
Simone schloss gut gelaunt ihren Laden auf, startete den Computer, sortierte die Post, während der Rechner sich hochlud, schaltete die Kaffeemaschine ein, knipste die Lichter an.
Ihr Handy piepte. Es war eine SMS von Arno. »Lady, komm bitte in den Messenger, es ist wichtig, Küsschen, Arno.«
Nanu? Von ihm hatte sie seit Wochen nichts gehört, sie hatte lediglich beobachtet, dass er und Karin sich bei Love.Letters mit unzähligen Nicks gegenseitig in die Gästebücher schrieben. Seine Nachricht passte ihr gut ins Konzept, dann würde er eben der erste sein, von dem sie sich heute verabschiedete.
»Lady, was machen die devoten Männer?«, begann er das virtuelle Gespräch.
Simone hatte ihm kurz nach dem Treffen mit Cornelius Bericht erstattet; er hatte ein Recht darauf gehabt zu erfahren, was geschehen war, denn er hatte schließlich diese Seite an ihr gefördert und sie zudem während des Dates gecovert.
»Es gibt
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