Im Netz der Meister (German Edition)
täglich. Karel war Holländer. Er suchte über Love.Letters Deutschland eine Geliebte, weil er auf seinen Reisen durch Europa oft in Deutschland Station machte. Er lebte in Amsterdam und betrieb dort ein Varieté, in dem Künstler aus aller Welt auftraten. Er kümmerte sich selbst darum, die Jongleure, Artisten und Akrobaten, Zauberer und Clowns zu engagieren. Deshalb reiste er in viele Länder, um sich dort die Shows der internationalen Konkurrenz anzusehen und Künstler, die ihm gefielen, für sein Haus in Amsterdam zu engagieren. Viel mehr erzählte er nicht von sich, außer, dass er geschieden war und erwachsene Söhne hatte. Er beschrieb sich als groß, grauhaarig und tageslichttauglich.
Simone war fasziniert, wieder einmal.
»In spätestens vier Wochen werden wir uns real gesehen haben – und dann wirst du mir gehören«, schrieb Karel.
Er wünschte sich ein Foto von Simone.
Sie wollte ihm ein besseres als das Kostümbild vom Gartenzaun schicken und bat ihre Mitarbeiterin Karin Köhr um Hilfe. »Ich habe überhaupt keine schönen Bilder von mir, kannst du mit deiner Digitalkamera ein paar Fotos schießen?«
Karin lächelte breit und fuhr sich dabei mit der Zunge über ihre großen Zähne.
»Naturellement, Chefin, wie hättest du dich gern präsentiert? Ein Abbild ladylike oder verwegen, scharf oder unscharf, portrait ou portrait en pied?«
Simone zuckte mit den Schultern.
»Ich weiß nicht. Ich möchte einfach ein attraktives Foto von mir haben.«
»Chefin, wofür brauchst du die Fotos?« Sie machte eine kleine Pause. »Etwa fürs Internet?« Karins Lächeln war nun noch breiter und sie zwinkerte vertraulich.
»Wie kommst du auf so etwas?« Simone versuchte, empört zu klingen, aber sie bemerkte das Zittern in ihrer Stimme.
Karin sagte: »Nun, zuweilen bin ich alleine im Geschäft, du verstehst, Madame? Und zuweilen surfe ich, wenn nichts zu tun ist. Und jüngst geschah es mir, dass ich den Verlauf im Explorer anklickte und ein entzückendes Damenprofil mit dem Namen ‚Lady Chatterley’ bei Love.Letters fand.«
Simone spürte, dass sie knallrot wurde und nach Luft schnappen musste. Scheiße. So ein verdammter Mist. Daran hätte sie denken müssen, dass Karin vielleicht schnüffeln würde. Simone räusperte sich und suchte nach Worten. Dass Karin sich offensichtlich an ihrer Verlegenheit weidete, gefiel ihr überhaupt nicht. Schnell versuchte sie, zu erklären: »Jaja, ich war da schon mal, wenn ich hier nichts zu tun hatte. Aber dafür brauche ich die Bilder natürlich nicht.«
»Simone, ma chérie, wie lange kennen wir uns?« Karin wartete die Antwort gar nicht ab und redete weiter. »Es sind zwei Jahre, ma chérie, zwei Jahre. Du kannst mir vertrauen, ich weiß schon lange, dass du bei Love.Letters bist. Ich bin dort nämlich auch!«, sagte sie und beugte sich verschwörerisch vor.
»Was? Du auch?«, rief Simone und ärgerte sich im selben Moment, dass sie sich so schnell und leicht verraten hatte. Sie überlegte blitzschnell: Nein, Karin und Gerald trafen sich nur sehr selten hier im Laden. Die beiden kannten sich kaum. Egal, wie viel Karin wusste, sie würde ihm bestimmt nichts von ihrem heimlichen Vergnügen erzählen. Und außerdem, was konnte sie schon wissen? Über das Profil von Love.Letters konnte man sich schließlich alles und nichts zusammenreimen.
Karin setzte sich in den Bürostuhl und schlug ihre langen Beine lasziv übereinander. Ihr Rock war eine Idee zu kurz, der Rand ihrer halterlosen Strümpfe blitzte eine halbe Handbreit unter dem Saum hervor. Simone hatte noch nie bemerkt, dass Karin Strümpfe und keine Strumpfhosen trug.
»Simone, liebste Chefin, ich erzählte dir oft, dass ich gern online flirte. Und bei Love.Letters ist es besonders amüsant. Nous parlons. Wir parlieren, brillieren, amüsieren. Uns. Les messieurs et moi, verstehst du. Und manschmaal wir flirten in sogar der realen Welt. Dein Profil dort ist harmlos, Chefin chérie. Du suchst nur eine nette Zeit im Chat, du hast schließlich einen Ehemann. Wenn man real sucht, so wie ich, muss man schon ein wenig mehr bieten.«
»Mehr bieten?«
»Darf ich?«, fragte Karin und loggte sich nach Simones zustimmendem Nicken bei Love.Letters ein. Das Profil »Gräfin Mariza« erschien und Simone staunte, als sie dort das Original-Foto ihrer Mitarbeiterin sah. Es war ein wenig verschwommen und in milchigen Blautönen bearbeitet, aber Karin war deutlich zu erkennen. Der kühle Farbstich kaschierte ihre spärlichen blonden
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