Im Netz der Meister (German Edition)
sich von seinen sexuellen Qualitäten überzeugen durfte. Aber sie war die Einzige, die von ihm schwanger wurde.
Volker übernahm die Verantwortung und seine Eltern die Unterhaltszahlungen für das Baby; sie hatten Geld genug und sorgten dafür, dass der Sohnemann nicht unnötig mit diesem Fehltritt belastet wurde. Karin bekam ihr Baby und nannte es Nadine.
Auf der Entbindungsstation im Krankenhaus lernte sie einen Pfleger kennen, den es nicht störte, dass sie erst achtzehn Jahre alt war und gerade ein uneheliches Kind bekommen hatte. Cornelius Freiherr von den Bänken kümmerte sich so rührend um Karin, dass sie ziemlich genau ein Jahr nach Nadines Geburt wieder schwanger war. Cornelius war sich seiner Verantwortung anders bewusst als Volker; er heiratete Karin, kurz bevor die Zwillinge Verena und Vanessa geboren wurden. Freifrau Karin von den Bänken war noch keine zwanzig, hatte einen Adelstitel, drei Kinder, jede Menge Arbeit und kein Geld. Cornelius nahm jede Überstunde an, die sich anbot, und davon gab es im Krankenhaus genug. Trotzdem kam das junge Paar auf keinen grünen Zweig und nicht aus der engen Dreizimmerwohnung in Köln Porz hinaus. Die Ehe hielt fünf Jahre, die Scheidung war anstrengend, schmutzig und für Karin finanziell unbefriedigend.
Sie blieb eine Weile mit den Kindern allein. Es war Zufall, dass sie bei einem Spaziergang Thomas Köhr kennen lernte. Thomas war selbstständig, fünfundvierzig, hatte weiche Lippen und schütteres Haar. Er war unverheiratet und hatte von seinen Eltern ein Einfamilienhaus geerbt, in dem er ganz allein wohnte. Thomas Köhr verliebte sich sofort in die große Blondine, die auf ihn wirkte wie ein scheues, verletzliches Reh. Unter Karins dünner weißer Haut hatte sich jedoch im Laufe der Jahre ein dickes Fell gebildet, sie war weder scheu noch schnell verletzlich, und sie war nicht dumm. Jedenfalls erkannte sie die Chance, die sich durch Thomas bot, denn er verdiente als Taxiunternehmer genug, um Karin und die drei Mädchen zu ernähren. Sie bekam zwar Unterhalt und Kindergeld, aber das reichte nicht für den Lebensstil, den die Fünfundzwanzigjährige sich immer erträumt hatte, es reichte kaum zum Leben.
Thomas machte ihr einen Heiratsantrag, nachdem sie ein paar Monate in wilder Ehe zusammengelebt hatten. Karin nahm ihn an, natürlich. Sie wäre schön blöd gewesen, es nicht zu tun, denn wer nahm schon eine Frau, die drei Kinder von zwei Männern hatte.
Fünf Jahre später hatte sie vier Kinder von drei Männern. Thomas war überglücklich, dass sein Rehchen ihm an seinem fünfzigsten Geburtstag einen Sohn schenkte. Fabian war das Nesthäkchen, das Karins Pläne endgültig durchkreuzte. Hatte sie zuvor noch gehofft, ihr Abitur nachzuholen, wenn die Mädchen größer wurden, so war der Traum nun endgültig ausgeträumt. Es war zu spät für eine Karriere, zu spät für einen Neuanfang, es war einfach für alles zu spät.
Der verbitterte Zug um Karins Mund verstärkte sich immer mehr, sodass ihre Mundwinkel bald ständig nach unten zeigten. Sie war einunddreißig, hatte einen zwanzig Jahre älteren Mann, der nach der Arbeit nur noch seine Ruhe wollte und sonst nichts. Und sie hatte vier Kinder und keine Ausbildung.
Thomas verließ sie wegen einer vierzigjährigen Taxifahrerin, als Fabian acht Jahre alt war, ein Jahr später war Karin zum zweiten Mal geschieden.
Sie zog mit den vier Kindern in eine Dreizimmerwohnung nach Bonn Auerberg und hoffte auf ein Wunder.
Unglücklich über ihr Los und ihr bisheriges Leben hatte sie sich der Literatur verschrieben, las in jeder freien Minute, kannte Klassiker und moderne Autoren. Sie zitierte Prosa und deklamierte Verse, wo immer sie es für angebracht hielt. Sie sprach immer noch fließend englisch, hatte ihre Schwäche für die französische Sprache in etlichen Volkshochschulkursen ausgelebt und demonstrierte ihr Vokabular gern häppchenweise. In Online-Kursen im Internet hatte sie ihre kargen Lateinkenntnisse wieder reaktiviert – für ein paar beeindruckende Zitate reichte es immer.
Für Karin war es wie ein Sechser im Lotto, als Simone sie zur Aushilfe in der Buchhandlung einstellte, so konnte sie lesen, musste es sogar, kam mit Menschen zusammen und konnte ihrem ausgeprägten Bildungsexibitionismus frönen.
Als Simone ihren Laden eröffnet hatte, musste sie lernen, mit dem Computer umzugehen, um Bestellungen, Buchführung und Kundenkarteien zu verwalten. Der Rechner wurde geliefert, und sie wusste kaum, wie
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