Im Netz der Meister (German Edition)
verkauft, Adeles Kotelettschmiede am Kaiser-Karl-Ring, vielleicht kennen Sie es noch? Lief gut, hatte viele Stammkunden. Von dem Geld habe ich den Verlag gegründet: den Adele-Bücher-Verlag.«
Simone hörte ihr unaufmerksam zu. Eigentlich war ihr egal, was Adele vorher gemacht hatte, Hauptsache war, dass sie sich mit Literatur ein wenig auskannte und verkaufen konnte, wenn Simone ihre Session-Reisen unternahm.
»... habe dann einige Anthologien herausgebracht, in der unbekannte Autoren mit Kurzgeschichten vertreten waren, aber außer den beteiligten Schriftstellern kaufte keiner diese Bücher«, erzählte Adele. Der Kleinverlag sei pleite und sie habe auf der Straße gestanden.
»... kein Arbeitslosengeld, weil ich während meiner Selbstständigkeit natürlich auch nicht eingezahlt hatte, verstehen Sie?«
Simone nickte, als Adele eine Pause machte, obwohl sie nicht zugehört hatte.
Nun stand Adele kurz vor der Rente, ging abends in einem Großraumbüro putzen und brauchte dringend einen weiteren Job, um überleben zu können. Simone stellte sie sofort ein, damit sie rechtzeitig zum nächsten Date fit genug war, um sie im Laden zu vertreten. »Sie können morgen Vormittag zum Einarbeiten kommen. Und ziehen Sie sich bitte nicht so sportlich an, das ist nicht gut fürs Geschäft.«
Per Handschlag besiegelten die Frauen das neue Arbeitsverhältnis, Simone war froh, als Adele gegen neunzehn Uhr den Laden verließ. Sie rief zu Hause an, um Bescheid zu sagen, dass sie eine Stunde länger arbeiten müsse, die Mädchen sollten sich Brote zum Abendessen schmieren. Noch eine Stunde bis zum Telefonat mit Mark.
Das Gespräch mit ihm war kurz und relativ langweilig. Er hatte eine angenehme Stimme und war freundlich, aber sehr unverbindlich. Sie unterhielten sich über Love.Letters, über das Medium Internet als Kontaktbörse und über die Chancen, dort einen SM-Partner zu finden.
Dennoch war Simone sehr aufgeregt – und vielleicht gerade deswegen ein wenig forsch. Sie gab sich große Mühe, ihn durch Sprachwitz und gekonnte Formulierungen zu beeindrucken, aber Mark reagierte neutral. Simone bat ihn, ihr von seinen Erfahrungen zu erzählen, damit sie sich sicher sein konnte, dass sie an einen echten Dom und nicht an einen der vielen virtuellen »Herrn« geraten war.
»Warte auf eine Nachricht von mir«, sagte Mark, dann legte er auf. Simone starrte perplex den Hörer an, bevor sie ihn langsam auf die Gabel legte.
Das war ein Mann nach ihrem Geschmack – wieder einmal. Dieser schien eine harte Nuss und nicht so leicht zu beeindrucken zu sein wie Boris und Karel. Und gerade das reizte sie, sie würde ihn schon überzeugen, diesen wählerischen Doktor.
War es nicht so, dass die Frau eigentlich immer die Macht hatte? Bei Boris hatte sie bestimmt, wie weit es ging, bei Karel hatte sie ebenso die Weichen gestellt. Nichts, was sie nicht wirklich gewollt hatte, war geschehen. Sie hätte jederzeit abbrechen können.
Also hatte der submissive Partner die Macht – und nicht der dominante. Der konnte doch nur das tun, was man ihn tun ließ, oder?
Simone fand keine Antwort auf diese Fragen.
Sie bemerkte am Abend nicht, dass Gerald sie fast ununterbrochen beobachtete. Eigentlich wollte er sich eine Reportage im Ersten ansehen, aber seine Augen streiften immer wieder über Simones Gesicht und suchten ihren Blick.
Sie versuchte zu lesen, es gelang ihr jedoch nicht. Immer wieder wanderten ihre Gedanken zu Love.Letters, zu Mark, Karel und den vielen Männern, die sie sich dort offenbar aussuchen konnte wie Schuhe im Regal.
Marks Bild gefiel ihr nicht. Er hatte zu schmale Lippen und war blond. Er trug auf dem Foto zwar eine graue Anzughose und ein weißes Hemd, aber er wirkte bieder wie ein Sachbearbeiter. Boris hatte ihr mal gesagt: »Bei SM spielt das Aussehen überhaupt keine Rolle. Die Neigung allein ist wichtig.«
Stimmte das? Sie hatte oft darüber nachgedacht. Hieß das, dass Doms jede Frau nahmen, egal, wie sie aussah, Hauptsache sie war devot genug und gab ihm das Gefühl, mächtig und dominant zu sein?
Als Simone das zweite Foto aufrief, stockte ihr der Atem. Mark hatte seine rechte Hand fotografiert. Eine schöne, offenbar kräftige Hand, an deren kleinem Finger er einen goldenen Ring mit einem funkelnden Brillanten trug. »Das ist die Hand, die du zu spüren bekommen wirst«, stand unter dem Bild.
Sie antwortete: »Es wäre eine besonders große Ehre und eine Auszeichnung für mich!«
Sie schickte ihm ein Foto von
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