Im Netz der Meister (German Edition)
nachdenken.
Später im Bad erschrak Simone, als sie ihren Po und ihre Schenkel im Spiegel ansah. Ihre Haut glich einem abstrakten Aquarell: blaue, rote und violette Striemen und Flecken. Ihr Herz setzte einen Moment lang aus. Gerald! Um Gottes willen. So konnte sie nicht nach Hause fahren. Sie war einer Panik nahe. Es würde Tage dauern, bis diese Spuren nicht mehr zu sehen sein würden. Fieberhaft überlegte sie, wie sie ihrem Mann alles erklären sollte. Er durfte sie nicht nackt sehen, nicht so, unter keinen Umständen. Sie musste sich eine plausible Ausrede einfallen lassen. Aber was sollte sie sagen? Was? Was? Was?
Boris und Simone schlenderten durch Berlin, schauten sich Schaufenster an, plauderten über Belangloses. Boris war freundlich, unterhaltsam und unverbindlich, Simone gab sich zurückhaltend. Sie hatten noch kein Wort über die vergangene Nacht gesprochen.
Er erzählte von seinem Job, aus seinem Leben, von seiner Frau, mit der er in einer offenen Ehe lebte.
»Und das funktioniert?« Simone war ehrlich erstaunt. Über diese Form einer Ehe hatte sie noch nie nachgedacht.
Boris grinste. »Es funktioniert immer dann, wenn wir beide jemanden haben. Wenn ich eine Sklavin habe und meine Frau hat keinen Lover, gibt’s Theater.«
»Und was machst du dann?«
»Ich bemühe mich, mit ihr im Gespräch zu bleiben und nehme mich in meinen Aktionen zurück. Ich liebe sie ja schließlich.«
»Wenn du sie liebst, warum vögelst du dann andere Frauen?«
Boris lachte. »Erstens ist sie weder maso noch devot, sie steht nur auf Neuneinhalb-Wochen-Sex. Das reicht mir nicht. Und sie hat von Anfang an gewusst, dass sie mich nie alleine haben kann. Das hat sie akzeptiert.«
»Wie lange seid ihr verheiratet?«
»Vier Jahre.«
»Und eure Ehe war immer so ... so offen?«
»Ja, von Anfang an. Ich könnte nicht anders leben und sie auch nicht.«
»Erzählst du ihr, mit wem du zusammen bist?«
»Klar. Sie weiß, dass ich jetzt mit dir hier bin. Sie hat mich schließlich zum Flughafen gebracht. Sie findet dich hübsch, ich habe ihr dein Bild gezeigt.«
Simone war verwirrt. Es war ihr unangenehm, dass seine Frau ihr Gesicht kannte.
So etwas funktionierte? Sie stellte sich vor, mit Gerald am Küchentisch zu sitzen und sich gegenseitig von außerehelichen Affären zu erzählen. Undenkbar. Allein der Gedanke daran, dass er mit einer anderen Frau schlafen würde, ließ nagende Eifersucht in ihr aufkommen.
Wie paradox , dachte Simone. Ich sitze hier mit einem Kerl, mit dem ich eine Nacht verbracht habe, und bei dem Gedanken, dass Gerald eine andere hat, wird mir schlecht. Obwohl, es wäre schon toll, wenn ich mit ihm über dieses Erlebnis reden könnte. Wie einfach wäre dann alles ...
Am Nachmittag tranken sie Cappuccino in einem Straßencafé.
Ihr Entschluss kam spontan. »Boris, ich werde heute bei meiner Freundin übernachten. Ich brauche Abstand. Du weißt, dass es meine erste Session war? Ich habe dich angelogen, als ich dir erzählte, dass ich Erfahrungen habe.«
Er lächelte. »Ja. Ich hab’s gemerkt. Kein bisschen devot, eher maso, gelle?«
»Ich weiß nicht, was ich bin, Boris.«
»Devotessas wie du brauchen nur ab und zu eine ordentliche Tracht Prügel, sonst nix.«
»Eine Tracht Prügel?«
»Ja, das Spanking hast du doch genossen, oder?«
»Spanking?«
»Schläge mit der Hand nennt man Spanking.«
»Ja«, sagte Simone, »kann schon sein, dass ich das genossen habe, aber ich weiß nicht, ob es das ist, was ich brauche, Boris. Und ich weiß auch nicht, ob ich das noch mal haben muss.«
Seine Stimme klang kühl und sachlich: »Du wirst schon noch herausfinden, was du brauchst. Lass uns in die Wohnung fahren, damit du deine Sachen holen kannst.«
So einfach ließ er sie gehen? Wahrscheinlich hatte sie während der Session alles falsch gemacht. Es hatte ihm nicht gefallen. Sie wunderte sich, dass es ihr fast egal war. In der Wohnung packte sie ihren Koffer und kündigte sich telefonisch bei Britta an.
Die beiden Frauen fielen sich zur Begrüßung um den Hals. Obwohl sie einander lange nicht gesehen hatten, war Britta ihr immer noch vertraut.
»Du siehst klasse aus, Süße! Seit wann hast du die Haare so kurz und so hell? Sie sind ja fast weiß.«
Britta lachte und ihre Zähne bildeten einen schönen Kontrast zu den knallrot geschminkten Lippen. »Vielleicht nicht viel länger als du blauschwarz gefärbt bist? Hatten wir als Kinder nicht mal die fast dieselbe Haarfarbe?«
Simone hakte sich bei der
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