Im Netz der Meister (German Edition)
Eigentlich. Bis jetzt, meine ich. Was ist, wenn Gerald mit mir schlafen will? Mein Hintern ist grün und blau und rot, und ich hab fette Striemen an den Beinen. Was mach ich, wenn Gerald das sieht?«
»Das hättest du dir vorher überlegen müssen, aber irgendwas wird dir schon einfallen. Sag doch, du hättest Zwischenblutungen oder Durchfall oder Kopfschmerzen.«
Simone runzelte die Stirn. Brittas Stimme klang spöttisch. »Mach dir keinen Kopf, das schaffst du schon.« Sie überlegte einen Moment. »Glaubst du eigentlich, dass er dir treu ist?«
»Wer, Gerald? Natürlich. Nie im Leben denkt der ans Fremdgehen!«
»Dasselbe wird er von dir auch sagen, oder? Mach dir nichts vor. Niemand besitzt jemanden für immer. Wie lange seid ihr zusammen?«
»Achtzehn Jahre.«
»Und wie oft habt ihr Sex?«
Simone überlegte nicht lange. »Zweimal die Woche.«
Britta pfiff anerkennend. »Du erfüllst deine Pflichten, alle Achtung. Damit liegt ihr über dem bundesdeutschen Durchschnitt. Und wie gefällt es dir?«
»Es ist immer noch sehr schön. Ich schlafe gerne mit Gerald. Er ist zärtlich und liebevoll.« Simone bemerkte den Trotz in ihrer eigenen Stimme.
Britta ließ nicht locker. »Wann war dein letzter Orgasmus? Mit Gerald, meine ich.«
Simone hatte das Gefühl, rot zu werden. Sie stocherte in den Tomaten auf ihrem Teller herum und ließ sich Zeit mit der Antwort. »Weiß nicht, ist schon eine Weile her.«
»Und bei deinem Prügelknaben hattest du einen Orgasmus?«
»Mehrere.« Simone lächelte, als sie an Boris dachte.
»Ich fasse mal zusammen, meine Süße: Du vögelst artig zweimal in der Woche mit deinem Mann. Du hast nicht viel davon und drehst dich wahrscheinlich nachher auf die Seite und heulst.«
»Nein, ich heule nicht.«
»Dein Mann ist superlieb und superzärtlich und superrücksichtsvoll und fragt nachher, ob es schön für dich war. Und gestern hast du dich von einem Kerl durchnehmen lassen, der überhaupt nicht sanft und kein bisschen lieb war, und du bist dabei ziemlich abgefahren. Stimmt’s?«
Simone sprach leise: »Ja. Alles ja. Und deswegen weiß ich nicht, ob ich Gerald morgen in die Augen sehen kann. Er kennt mich so gut, dass er sofort wissen wird, was passiert ist.«
»Unterschätz dich nicht, Simone. Du wirst wunderbar lügen können, und er wird überhaupt nichts merken.«
»Wenn es doch nur das wäre, Britta. Ich krieg meine Gedanken nicht geordnet. Es ist ja nicht nur das schlechte Gewissen Gerald gegenüber. Es ist auch, weil die Nacht mit Boris so irre war. Das Verrückte ist, dass ich mich gut und schlecht zugleich fühle. Gut, weil es geil war und schlecht, weil es geil war. Ich will es vielleicht wieder tun.« Simone erschrak über ihre Worte, die sie aussprach, ohne sie zuvor bewusst gedacht zu haben.
»Du weißt, wie man Leute wie dich nennt?«
Simone sah sie fragend an.
»Du bist eine Masochistin«, stellte Britta sachlich fest.
»Ich bin keine Masochistin, so ein Quatsch«, empörte Simone sich.
»Ach nein? Und wie nennt man Leute, die sich gerne quälen lassen?«
»Also, quälen ist ein bisschen heftig ausgedrückt. Ich wollte es ja so. Jedenfalls hab ich es mir freiwillig gefallen lassen. Es war nicht nur der Schmerz, sondern diese ungewöhnliche Situation, das Verbotene. Und Boris. Weil er klasse aussieht. Genau mein Typ. Das war ein richtiges Fest für mein jahrelang angeschlagenes Selbstbewusstsein.«
Britta zog die Augenbrauen hoch. »Aha. Ein Fest. Man sieht es dir an. Willst du Boris wieder sehen?«
Simone seufzte. »Ich weiß es nicht, gar nichts weiß ich. Mal denke ich, es war eine tolle Nacht, dann wieder denke ich, es war ein Horror. Ich kann immer noch nicht richtig sitzen.«
Simone bemerkte nicht, dass sie bei dem Gedanken an die Nacht lächelte. Britta registrierte es sehr wohl. »Du bist doch eine Masochistin.«
»Nein!«
»Warum hast du ein Problem mit einem Wort?«
»Weil das pervers ist, abartig. Und ich will nicht pervers oder abartig sein«, sagte Simone eine Spur zu laut.
»Dafür kann keiner was, wenn einer so gepolt ist. Vielleicht ist Masochismus eine Art Krankheit? So, wie der Sadismus, den muss es ja auch geben, sonst funktioniert es nicht. Sehe ich doch richtig, dass dazu zwei gehören: einer, der gerne zuschlägt und einer, der sich gerne schlagen lässt? Solche Neigungen werden schon in der Kindheit geprägt.«
»Man kann nicht alles auf die Kindheit schieben, Britta. Meine Kindheit war völlig in Ordnung, genau wie deine
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