Im Netz der Meister (German Edition)
eigentlich nicht leisten konnten.
»Überraschung? Ach Gerald, lass mich doch erst mal richtig ankommen«, lachte sie. In ihren Ohren klang das Lachen ein bisschen verkrampft und sie hoffte, dass er es nicht merken würde.
»Du kannst gleich reingehen und auspacken und duschen, was immer du willst, und dann trinken wir Kaffee, und du musst mir alles erzählen, was du mit Britta in Berlin angestellt hast, aber jetzt kommt erst meine Überraschung.«
Gerald schob sie ein paar Schritte nach vorn und drehte sie dann ein wenig. Er nahm die Hände vor ihren Augen weg: »Für dich, mein Schatz!«
Simone blickte in den Vorgarten. In die Mitte des gepflegten Rasens hatte Gerald eine niedrige Buchsbaumhecke gepflanzt. Sie hatte die Form eines Herzens. Sie war sprachlos. Die Situation war konfus. Sie kam von einem handfesten Seitensprung zurück, hatte den Hintern voller Striemen, ein schlechtes Gewissen und scheußliche Bauchschmerzen deswegen, und ihr Mann schenkte ihr ein Herz aus Buchsbaum.
Sie lächelte gequält. »Wie schön das ist. Danke, danke, Schatz.«
Als sie das Haus betrat, kam ihr alles fremd und klein vor. Den Koffer stellte sie in der Diele ab, automatisch zog sie die Schuhe aus und schlüpfte in ihre Birkenstock-Schlappen, die unter der Garderobe standen.
Sie ging in die Küche. Alles war aufgeräumt, nichts stand herum. Gerald und die Mädchen waren genauso ordnungsliebend wie sie selbst. Dieser Raum war Simones ganzer Stolz. Die glänzenden grauen Fronten, der italienische Granitboden, matte Metallarmaturen und die hellgelben Dekorationen boten ein Bild wie aus einer Wohnzeitschrift. Besonders das Arrangement aus echten Zitronen in einer edlen Schale, passend zu einem gerahmten Poster mit identischem Motiv über dem Küchentisch, fand immer wieder den bewundernden Beifall ihrer Besucher. Das Zitronenmuster wiederholte sich in den Raffrollos vor dem Fenster. Simone fühlte sich wie ihr eigener Beobachter, als sie routiniert Kaffeewasser aufsetzte, das zitronengelbe Geschirr aus dem Schrank nahm und den Tisch deckte.
Gerald kam rein, zog im Flur die Schuhe aus, wusch sich die Hände und setzte sich zu ihr.
Sie tranken Kaffee und aßen Kekse. Als ob nichts passiert wäre , dachte Simone und spürte, dass ihr Atem tiefer und ruhiger wurde.
Gerald redete die ganze Zeit. Während der drei Tage ihrer Abwesenheit den Haushalt zu schmeißen war kein Problem gewesen, Tante Trude und Mutter hatten angerufen, in der Firma gab es Probleme, weil ein LKW in einen schweren Unfall verwickelt war, der Hund hatte Julias neuen Bademantel zerbissen, die Buchsbaumpflanzen hatte er preiswert im neuen Baumarkt am Stadtrand gekauft, und heute Abend wollte er Spaghetti kochen.
Simone hörte ihm nur halb zu. Wie konnte es möglich sein, dass sie nach der aufrüttelnden Begegnung in Berlin sofort wieder mitten ihrem vertrauten Alltag war?
Sie bekam Gänsehaut, wenn sie an Boris dachte. Während der Heimfahrt im Zug hatte sie die Session immer wieder Revue passieren lassen, hatte versucht, ihre Gefühle zu analysieren, sich darüber klar zu werden, ob sie Schmerz, Sex und Schläge genossen oder verabscheut hatte. Sie wusste es noch immer nicht.
Sah Gerald ihr wirklich nichts an? Spürte er nicht, dass sie ihn betrogen hatte? Ob Britta Recht hatte mit ihrer Behauptung, dass Gerald sie bei passender Gelegenheit auch betrügen würde? Er mit einer anderen im Bett. Undenkbar.
Heute ist Sonntag , dachte Simone. Er wird nach dem »Tatort« vögeln wollen.
Sie zwang sich, ihm ins Gesicht zu sehen und auf seine Plaudereien zu antworten.
Später, beim gemeinsamen Abendessen, wunderte sich Simone, wie leicht ihr alles von den Lippen kam. Zuerst hatte sie es vermieden, Jenny und Julia in die Augen zu sehen. Sie fühlte sich schmutzig, als sie die beiden zur Begrüßung in die Arme geschlossen hatte.
Jennys Frage, wie es am Ku´damm aussehe, konnte sie schnell beantworten, denn sie hatte die Berliner Prachtmeile aus früheren Besuchen noch gut in Erinnerung.
»Hast du Punks gesehen?«, fragte Julia.
»Nur am Bahnhof, Kleines, in der Stadt nicht. Ich habe aber auch nicht drauf geachtet.«
»Schade, die Punks in Berlin haben die schrillsten Klamotten«, erklärte die 15-Jährige, die sich stets bemühte, mit ihrer Garderobe Aufsehen zu erregen.
»Kann ich nächstes Mal mitkommen, wenn du zu Britta fährst? Ich war noch nie in Berlin«, sagte Jenny.
Simone zuckte innerlich zusammen.
Nächstes Mal? Boris? Session? SM?
»Schauen
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