Im Netz der Meister (German Edition)
stattgefunden hatte.
Die roten Schuhe hatte sie im Buchladen versteckt, ebenso wie den Lackrock und die schwarze Korsage, die Karel ihr im Hotel geschenkt hatte.
Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass Karels Schläge keine Spuren hinterlassen hatten, schlief Simone schon zwei Tage später mit Gerald, dachte dabei intensiv an ihre letzte Session im Club und fand, dass sich die Dinge auf eigenartige Weise sehr angenehm entwickelten. Sie hatte ihre Familie und einen netten Ehemann, ein schönes Haus und ein eigenes Geschäft, und sie hatte einen Liebhaber, der ihr himmlisches Vergnügen bereitete und sie verwöhnte wie eine Prinzessin. Was konnte sie mehr wollen?
An Mark dachte sie oft. Aber wenn sein Bild vor ihr auftauchte, schob sie es einfach weg.
Simone genoss die Aufmerksamkeit, die Karel ihr nach wie vor per Mail, SMS und am Telefon entgegenbrachte. Von einem weiteren Treffen war zurzeit nicht die Rede, Karel war geschäftlich zu viel unterwegs.
Manchmal, wenn Simone allein war und zur Ruhe kam, tauchten wieder diese Fragen auf, die sie nun seit langen Monaten verunsicherten.
Britta rief oft an, und Simones Liebesleben war immer Thema ihrer Gespräche.
»Ich verstehe nicht, wie du dich vor einem Kerl hinknien kannst und dich von ihm für konstruierte Verfehlungen bestrafen lassen kannst. Hast du denn gar keinen Stolz?«
Simone lachte. »Doch. Aber den zu überwinden, ist eine Herausforderung. Ich überlasse dem Dom die Macht, mich dazu zu bringen, das zu tun, was er möchte.«
»Und was hast du davon?«
»Das Gefühl, alles abgeben zu können. Das Gefühl, dass sich jemand um mich kümmert und dass ich jemandem so wichtig bin, dass er mich zu meinem Glück zwingen muss.«
»Aber Gerald kümmert sich seit Jahren rührend um dich! Wie wichtig du ihm bist, weißt du auch. Und deine Kinder, denkst du denn nie an deine Kinder?«
»Doch, schon. Aber was haben meine Kinder mit meinem Sexualleben zu tun? Es geht sie nichts an, Britta. Ich muss einfach weitermachen, ich wäre todunglücklich, wenn ich es sein ließe!«
»Und was ist dein Glück, Simone?«
Sie dachte nach. Sie wusste es nicht.
»Irgendwas hast du doch bisher vermisst, sonst würdest du nicht so abfahren bei deinen Orgien.«
»Ach Gott, vermisst. Britta, ich weiß es nicht. SM als Medizin gegen Langeweile oder Leere? Das glaube ich nicht. Man muss mit Leib und Seele, mit Körper und Geist dabei sein. Sonst ist es wohl ein Selbstbetrug.«
»Und wenn du denkst, deine Eskapaden jetzt seien dein Lebensinhalt, ist das dann kein Selbstbetrug? Du hast eine Familie, Simone! Ich bin bestimmt kein Spießer, aber du treibst es zu toll, glaub mir!«
Die Telefonate mit Britta taten ihr gut, auch wenn sich daraus manchmal Erkenntnisse oder Fragen ergaben, die ihr nicht gefielen. Bin ich ein schlechterer Mensch, weil ich die Peitsche liebe? Oder weil ich mich über diese bürgerlichen Moralvorstellungen langsam hinwegsetze und tue, was mir Spaß macht? Es schadet niemandem. Ich muss niemandem darüber Rechenschaft ablegen, was ich tue, solange ich niemandem schade. Simone beschloss, nicht mehr so viel nachzudenken und meldete sich wieder bei Love.Letters an. Was soll’s , dachte sie, das Leben ist kurz, oder?
Sie lernte Arno aus München näher kennen.
Arno gehörte schon seit Jahren zur Love.Letters-Gemeinde und war bekannt wie ein bunter Hund. Unter den beiden Namen Leopold und Marquis hatte er zwei gut frequentierte Diskussions-Gruppen für BDSM-Anhänger gegründet: Dort konnten sich Gleichgesinnte, Interessierte, Anfänger und Fortgeschrittene in einer Art geschütztem Raum austauschen.
Man musste einen Antrag stellen, um als Mitglied aufgenommen zu werden und konnte dann zu speziellen Themen posten. Die eine Gruppe hieß »Lustfesseln«, die andere »Damendiener«.
Arno hatte zwei Themen, zwei Nicks und zwei Identitäten, von denen fast jeder wusste, der länger bei Love.Letters chattete.
Unter dem Nick Leopold war er als devoter Mann und Damenwäscheträger unterwegs und mit einer Domina namens Lady Domme liiert. Jeder konnte diese Verbindung in den Gästebüchern der beiden nachlesen. Zudem waren Leopold und Lady Domme die Moderatoren der Gruppe »Damendiener«.
Als Marquis war Arno auf der Suche nach einer Sklavin. Er hatte sogar eine richtige Homepage außerhalb von Love.Letters, auf der er sich genau beschrieben und seine Vorstellungen von einer devoten Partnerin ausführlich erläutert hatte. Arno moderierte sein Forum
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