Im Netz Der Schwarzen Witwe
eine Checkliste für sämtliche Eigenschaften im Kopf, die ein potenzieller Ehemann haben musste. Zum Beispiel sollte er Geld haben, denn sie würde nur einen reichen Mann nehmen. John hatte Geld, aber er hatte auch Krebs. Wahrscheinlich wäre Serena nicht an einem Mann interessiert, der womöglich an einer tödlichen Krankheit litt.
Niemand wäre das.
Wer würde schon das Risiko eingehen, mit einem Mann eine Beziehung anzufangen, dessen Tage gezählt waren?
Mariah räusperte sich. „Nun“, begann sie, „falls Sie Interesse haben, die Entspannungsübung auszuprobieren … ich fand sie sehr effektiv.“
Er wirkte verlegen. „Ich weiß nicht. Ich war nie gut in solchen Dingen. Es hat früher nie so richtig funktioniert, und …“
„Es kann doch nicht schaden, es einfach mal auszuprobieren.“
John sah ihr wieder in die Augen und lachte halbherzig. „Ich bin nicht geduldig genug, um auf dem Rücken zu liegen und die Augen zu schließen, während mich jemand auffordert, mir vorzustellen, ich befände mich auf einer Wiese mit einem plätschernden Wasserfall und singenden Vögeln. An einem solchen Ort bin ich noch nie gewesen, deshalb kann ich mir das auch nur schwer vorstellen …“
Mariah hob die Hand. „Probieren Sie es.“
Er zögerte. „Ich sollte lieber gehen.“
Sie kam näher und nahm seine Hand in ihre. „Ich verspreche Ihnen, es wird nicht wehtun“, sagte sie und führte ihn ins Wohnzimmer.
John war klar, dass er ihr besser nicht folgen sollte. Jeder Körperkontakt mit ihr, ahnte er, konnte zu körperlichen Kontakten ganz anderer Art führen. Und sosehr er sich das auch wünschte, es stand einfach nicht zur Debatte.
Er war hier, um eine Mörderin zu fassen, und Mariah würde dafür sorgen, dass er diese Mörderin kennenlernte. Sie sollte lediglich eine gemeinsame Freundin sein, keine Geliebte. Ein Mittel zum Zweck eben.
Im Vorbeigehen schaltete sie eine Halogenlampe ein und dimmte das Licht zu einem schwachen, fast schon nicht mehr vorhandenen Glimmen herunter. Das Wohnzimmer war ganz typisch für eines der Ferienhäuser am Strand. Robuste Möbel mit fleckenresistenten Bezügen. Kurzflorige Teppichböden. Die üblichen Bilder an den Wänden mit Möwen- und Leuchtturmmotiven. Außerdem gab es einen Fernseher und einen DVD-Player. Die Wände waren schlicht weiß, die Vorhänge leicht zu reinigen.
Mariah wohnte jedoch schon einen oder zwei Monate hier und hatte dem Raum hier und da eine persönliche Note gegeben.
Neben den Glasschiebetüren hatte sie ein Windspiel aufgehängt, das sich leicht in der Brise bewegte. Auf dem Beistelltisch stapelten sich Bücher. Vom Liebesroman bis zum Sachbuch über das Militär war alles darunter. Auf einem weiteren Beistelltisch befanden sich ein tragbarer CD-Player sowie ein Stapel CDs. Vor dem Fenster hing an einem Band ein Kristallvogel, der selbst in dem schwachen Licht funkelte. Über die Couch war ein Batiktuch gebreitet. Außerdem entdeckte John den Strauß gelber Blumen, den er ihr vor einigen Tagen morgens mitgebracht hatte.
Sie ließ seine Hand los. „Legen Sie sich hin.“
„Auf den Fußboden?“ Verdammt, er hasste es jetzt schon. Trotzdem legte er sich auf den Rücken. „Und dann soll ich bestimmt meine Augen schließen, richtig?“
„Ganz genau.“
Er machte die Augen zu und hörte, wie sie sich auf die Couch setzte und die Sandalen zu Boden fallen ließ, damit sie die Beine anwinkeln konnte.
„Na schön, sind Ihre Augen zu?“
John seufzte. „Ja.“
„Gut, dann möchte ich, dass Sie sich vorstellen, Sie lägen an einem ganz besonderen Ort. Auf einer Blumenwiese. Vögel fliegen herum, und in der Ferne rauscht ein Wasserfall.“
John schlug die Augen auf. Sie lachte über ihn.
„Sie sollten mal Ihr Gesicht sehen.“
Er setzte sich auf und rieb sich Nacken und Schulter mit einer Hand. „Freut mich, dass ich zu Ihrer Unterhaltung beigetragen habe. Jetzt ist mein Stresslevel allerdings so hoch, dass ich mich wahrscheinlich nie mehr davon erhole.“
Mariah lachte erneut. Es klang so heiser und sinnlich, dass es ihm durch und durch ging.
„Legen Sie sich hier auf die Couch“, forderte sie ihn auf, indem sie aufstand und auf das Polster klopfte. „Diesmal auf den Bauch. Ich werde Ihnen den Rücken massieren, während wir gemeinsam versuchen, Ihr Stresslevel auf ein normales Maß herunterzubringen – was für Sie vermutlich jenseits der Skala liegt.“ Sie hielt plötzlich unsicher inne. „Natürlich werde ich Ihren
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