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Im Netz Der Schwarzen Witwe

Im Netz Der Schwarzen Witwe

Titel: Im Netz Der Schwarzen Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
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weder geduscht noch rasiert. Sein Kinn war bedeckt mit frischen Bartstoppeln, und auf dem Kopf hatte er eine Baseballkappe, unter der sein Haar versteckt war. Was im Grunde albern war, da sein Haar noch viel zu kurz war, um vom Schlaf zerwühlt zu sein.
    Sie kannte den Song, von dem er erzählte. Es handelte sich um ein wundervolles Lied, nachdenklich und tiefsinnig. „Das waren die Indigo Girls“, sagte sie.
    „So heißt die Band? Es war ein toller Song. Gefiel mir sehr. Ich habe früher nicht viel Musik gehört. Du weißt schon, vorher .“
    Vor der Diagnose Krebs, meinte er. Was auch der Grund war, weshalb Mariah ihn nicht einfach auffordern konnte zu verschwinden. Möglicherweise waren dies die letzten Tage in seinem Leben. Wie konnte sie da etwas dagegen haben, dass er seine Zeit so verbrachte, wie es ihm gefiel?
    „Mariah, es tut mir wirklich leid wegen gestern Abend. Ich habe nicht gemerkt, dass ich dich vernachlässigt habe. Und plötzlich warst du fort …“
    „Ich hatte wohl zu hohe Erwartungen“, räumte sie ein. „Das konntest du ja nicht wissen.“
    „Ich möchte wirklich gern mit dir befreundet sein“, versicherte er ihr schnell.
    Das hatte er ihr schon vorher einmal rundheraus gesagt. Konnte er denn etwas dafür, dass sie nicht richtig zugehört hatte? War es seine Schuld, dass sie längst mehr empfand, als für eine reine Freundschaft nötig war?
    „Bitte lass mich dich heute begleiten“, fügte er hinzu.
    Mariah sah den Triple-F-Van näher kommen und schulterte wieder ihren Rucksack.
    „Meinetwegen“, sagte sie und wusste, wie dumm das war. Er war derjenige, der bloß Freundschaft zwischen ihnen wollte. Also würde sie den Tag mit ihm verbringen, obwohl jede Minute, die sie mit ihm verbrachte, nur dazu führen würde, dass sie ihn noch mehr mochte. Noch mehr begehrte. Mehr als nur Freundschaft wollte.
    Jeden anderen hätte sie glatt abgewiesen. Doch für Jonathan Mills mit seinem traurigen Lächeln, seinen klaren blauen Augen und der schlimmen Krankheit sprang sie über ihren Schatten.
    Auch wenn sie jetzt schon ganz genau wusste, dass sie das noch bitter bereuen würde.
    John hatte allmählich den Bogen raus. Nimm einen Nagel, klopfe ihn sanft an, dann hämmere ihn hinein.
    Er hatte eigentlich noch nie so richtig die Gelegenheit gehabt, mit einem Hammer zu arbeiten. Das Werkzeug lag gut in der Hand. Fast so gut wie seine Pistole.
    Mariah schaute zu ihm herüber und wischte sich den Schweiß weg, der trotz ihres Stirnbands in Strömen über ihr Gesicht lief. „Schon müde?“
    „Nein, alles bestens.“
    Als sie auf der Baustelle eintrafen, stellte sie ihm einen Liegestuhl in den Schatten, wie für einen Invaliden. Der er ja eigentlich auch sein sollte.
    Nur konnte er nicht einfach dasitzen und zusehen. Es dauerte nicht lange, bis er um einen Hammer bat und Seite an Seite mit Mariah arbeitete.
    Sie waren in dem kleinen Haus und nagelten Gipskartonplatten fest, sodass aus dem rohen Gerüst richtige Zimmer wurden, in denen bereits alle Elektrokabel verlegt waren. Sie schafften das Wohnzimmer, in dem einige andere freiwillige Helfer mit mehr Erfahrung die Löcher für die Steckdosen und Lichtschalter in den Gipskarton sägten. Anschließend nahmen sie sich den Flur vor und dann das größere der beiden Schlafzimmer.
    Langsam verwandelte sich der Rohbau in ein richtiges Haus. Natürlich mussten die Übergänge noch gespachtelt und anschließend abgeschliffen werden, bevor man die Zimmer streichen konnte. Aber es sah schon recht vielversprechend aus.
    Die Besitzer des Hauses, ein großer Farbiger namens Thomas und eine schlanke, stolz aussehende Frau namens Renée, schlenderten in jeder Pause durch die Räume, Händchen haltend und staunend wie zwei Schulkinder.
    „Du lieber Himmel“, wiederholte Thomas immer wieder, mit Tränen in den Augen. Er hatte noch nie ein Haus besessen und das auch nie für möglich gehalten, wie er ständig versicherte. Einmal blieb er sogar stehen, um John voller Dankbarkeit an sich zu drücken.
    John begriff, warum Mariah diese Arbeit gefiel. Mehrmals hatte er ihre Tränen der Rührung bemerkt. Und wenn die freiwilligen Helfer mal gerade nicht damit beschäftigt waren, sich verstohlen die Freudentränen aus den Augen zu wischen, sangen sie gemeinsam. Sie sangen alle möglichen Lieder, von aktuellen Popsongs bis zu Spirituals, je nachdem, wer im Moment am Sendersucher des Radios drehte. John stimmte sogar selbst einmal mit ein, als ein Beatlessong gespielt

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