Im Netz Der Schwarzen Witwe
wurde. In seiner Jugend hatte er die Beatles sehr gemocht, und zu seinem Erstaunen kannte er noch fast den ganzen Text.
Doch als die Sonne am Himmel höherstieg, heizte sich das kleine Haus auf. John hatte schon vor einer ganzen Weile sein T-Shirt ausgezogen. Inzwischen bereute er, keine Shorts statt der Jeans angezogen zu haben. Draußen mussten es schon an die dreißig Grad sein, und das Thermometer kletterte weiter.
Mariah legte den Hammer aus der Hand und zog ihr T-Shirt ebenfalls aus. Sie trug wieder einen Sport-BH, diesmal in einem Sweatshirt-Grau. Mit dem T-Shirt wischte sie sich das Gesicht ab und hängte es anschließend an ihren Werkzeuggürtel.
John versuchte, nicht zu ihr hinzuschauen, aber das war verdammt schwer. Als er den nächsten Nagel in die Wand schlug, verfehlte er nur knapp seinen Daumen.
In dem anderen Schlafzimmer stellte jemand das Radio auf einen Klassiksender ein.
„Mozart“, bemerkte John nebenbei und stellte überrascht fest, dass Mariah ihn ansah. „Sein Klarinettenkonzert“, fügte er hinzu. „Meine Mutter liebte dieses Stück. Sie war überzeugt davon, dass es einen klüger machte, sich Mozart anzuhören.“
„Das habe ich auch schon mal gehört“, meinte Mariah. „Die Theorie gründet darauf, dass die Komplexität der Musik die Denkfähigkeit erhöhen soll.“
„Trinkpause“, rief Renée fröhlich und kam mit zwei großen Gläsern in den Händen in den Raum.
Mariah legte den Hammer aus der Hand und nahm ein Glas von ihr entgegen, während John das andere nahm. Er bedankte sich bei Renée und setzte sich neben Mariah auf den staubigen Sperrholzboden.
Sie leerte ihr Glas mit einem einzigen Schluck bis zur Hälfte. „Wow“, sagte sie atemlos. „Was ich wirklich gebrauchen könnte, wäre eine Dusche aus dem Gartenschlauch. Ob es noch heißer werden kann?“
„Ja.“
Mariah lachte. „Das war jetzt aber nicht die korrekte Antwort.“ Sie lehnte den Kopf an die frisch verputzte Wand, drückte den kühlen Plastikbecher an ihren Hals und schloss die Augen.
John gestattete es sich, sie ausgiebig zu betrachten. Solange ihre Augen geschlossen waren, konnte er die Gelegenheit ruhig nutzen. Ihre Wimpern waren unglaublich lang und ruhten auf ihren von der Sonne leicht geröteten Wangen. Auf ihrer Nase entdeckte er ein paar Sommersprossen, auch auf ihren Schultern und ihrer Brust.
Zu spät bemerkte er, dass sie die Augen längst wieder geöffnet und ihn beim Gaffen ertappt hatte. Na klasse.
Aber weder tadelte sie ihn, noch rückte sie weg.
„Thomas und Renée können es kaum erwarten, endlich einzuziehen.“
John brauchte einen Moment, um zu erfassen, wovon sie redete.
„Es ist wirklich ein hübsches kleines Haus“, fuhr sie fort. „Das Modell ist sehr beliebt – ich habe bestimmt schon bei sieben solcher Häuser mitgeholfen.“
„Als Kind habe ich in einem ganz ähnlichen Haus gelebt“, sagte John.
Mariah zog die Knie an die Brust und fragte interessiert: „Ja?“
„Ja, es ist fast komisch, durch diese Räume zu gehen.“ Er deutete zum Flur. „Dort drüben war mein Zimmer, gleich neben dem Bad. Und dieser Raum hier war das Schlafzimmer meiner Mutter.“
Mariah sah ihn an und wartete darauf, dass er noch mehr von sich erzählte. Ihm war klar, dass er erneut viel zu viel erzählt hatte, aber ihre Augen hatten diesen warmen Glanz. Er wollte nicht, dass sie aufhörte, ihn auf diese Weise anzusehen.
Außerdem hatte er eine Möglichkeit gefunden, wie er die eigene Geschichte mit der Coverstory verbinden konnte. Denn als Jonathan Mills hatte er die gleiche Vergangenheit wie John Miller. Nur, dass er mit elf, als seine Mutter gestorben war, nicht zu Pflegeeltern gekommen war. Jonathan Mills hatte danach bei seinem Vater gelebt, dem König der Autoalarmanlagen.
„Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie die Küche gerochen hat“, sagte er. „Nach Ingwer und Zimt. Meine Mutter liebte es zu backen.“ Er deutete auf die weißen Gipskartonplatten, die sie gerade gegenüber dem begehbaren Kleiderschrank angenagelt hatten. „Außerdem liebte sie Bücher. Entlang der ganzen Wand standen Bücherregale. Sie las alles Mögliche, wenn sie es für gut hielt.“ Er sah Mariah liebevoll an. „Sie war so ähnlich wie du.“
Erst in diesem Moment, als er die Worte aussprach, wurde ihm klar, wie viel Wahrheit sie enthielten. Äußerlich ähnelte sie seiner Mutter, die durchschnittlich groß und gertenschlank gewesen war, überhaupt nicht. Doch das Lächeln strahlte
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