Im Netz Der Schwarzen Witwe
beste Freundin.
Also durfte er auf keinen Fall mit Mariah schlafen und musste sich zusammenreißen.
Morgen früh um sechs würde er vor der Bibliothek warten. Dort würde er sie wiedersehen – und wie sehr sehnte er sich danach! –, aber in der Öffentlichkeit. Dann bestand wenigstens keine Gefahr, dass irgendwelche Intimitäten zwischen ihnen außer Kontrolle gerieten. Er musste es schaffen, ihr zu erklären, dass es besser sei, wenn es bei einer Freundschaft zwischen ihnen bliebe. Serena hingegen würde er genau das Gegenteil sagen. Dann konnte Serena ihn Mariah „ausspannen“, ohne dass Mariah dabei verletzt würde.
John stand auf. „Ich muss es tun. Morgen werde ich wohl den ganzen Tag von der Bildfläche verschwunden sein.“
Daniel erhob sich ebenfalls. „Ich werde in Serenas Nähe bleiben.“ Ehe John gehen konnte, fügte sein Kollege noch hinzu: „Du weißt, dass wir es auch auf eine andere Art machen können.“
Johns Tarnung stand. Er war hier, an Ort und Stelle. Die Gründe, den Plan nicht weiterzuverfolgen, wären rein privat. Er hatte sich noch nie aus persönlichen Gründen von einem Fall zurückgezogen, und er würde jetzt nicht damit anfangen.
„Mir ist bisher kein besserer und schnellerer Weg eingefallen, um die Mörderin zu überführen“, erwiderte er knapp. „Also lass es uns richtig machen und sie hinter Gitter bringen, bevor sie einem weiteren Menschen Schaden zufügen kann.“
6. KAPITEL
M ariah sah ihn sofort, als er um die Ecke kam. Jonathan Mills saß auf den Stufen vor der Bibliothek, mit hängenden Schultern, und trank Kaffee aus einem Pappbecher.
Es war kaum möglich, dass er auf sie wartete. Nicht nach dem gestrigen Abend. Nicht, nachdem er so geblendet von Serena war.
Und doch wusste sie, dass es sonst niemanden gab, auf den er hier warten konnte. Sie war die einzige Person auf Garden Isle, die regelmäßig ehrenamtlich für Triple F arbeitete. Manchmal machte eine Gruppe Studenten mit, die ihre Ferien hier verbrachte, aber dann holte der Triple-F-Van sie am Campingplatz ab.
Einen Moment lang überlegte Mariah, einfach vorbeizufahren. Sie konnte den Van ebenso gut an der Drogerie oder am Postamt anhalten. Nur – wo sollte sie ihr Fahrrad lassen? Der Fahrradunterstand vor der Bibliothek war der Einzige in der Stadt.
Vielleicht würde Jonathan ja einfach verschwinden, wenn sie ihn ignorierte.
Natürlich wusste Mariah, dass auch das keine Lösung war. Also nickte sie ihm zur Begrüßung kurz zu und bremste.
Er stand auf, als täte ihm jeder Knochen im Leib weh. Als hätte auch er in der vergangenen Nacht nicht viel Schlaf bekommen.
„Als ich mich fertig machte, um dich hier zu treffen, fiel mir ein, dass ich gar keinen Werkzeuggürtel besitze“, sagte er.
Ihr eigener Werkzeuggürtel befand sich in ihrem Rucksack und zog ihn mit seinem Gewicht nach unten. Erleichtert streifte sie die Gurte von ihren Schultern und stellte den Rucksack auf den Gehsteig, um ihr Rad in den Ständer zu schieben. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Meinte er es wirklich ernst? Hatte er tatsächlich die Absicht, den Tag mit ihr zu verbringen?
Wenn sie an gestern Abend dachte, glühten ihre Wangen erneut vor Verlegenheit. Ebenso, wenn sie an den Abend davor dachte. Sie hatte wirklich geglaubt, er fühle sich so zu ihr hingezogen wie sie sich zu ihm. Aus diesem Grund hatte sie sich ihm ja förmlich in die Arme geworfen …
Momentan konnte sie sich kaum etwas Schrecklicheres vorstellen, als den Tag mit diesem Mann zu verbringen. Andererseits konnte sie ihm schlecht sagen, er solle einfach wieder verschwinden. Das brachte sie nicht fertig. Sicher, vergangene Nacht hatte sie beschlossen, dass sie nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte. Ja, sie war zu der Erkenntnis gekommen, dass er weit oberflächlicher und selbstbezogener war, als sie geglaubt hatte. Trotzdem brachte sie es nicht fertig, ihm zu sagen, dass er nach Hause gehen sollte.
„Ich konnte letzte Nacht nicht schlafen“, gestand er. „Ich lag wach im Bett und hörte Radio. Einen College-Sender vom Festland, und da lief dieser Song. Zwei Frauen sangen zur Gitarre. Wirklich schön. Der Text ging mir nahe. Er handelte davon, frühmorgens aufzustehen und den Hammer zu schwingen oder so ähnlich. Jedenfalls konnte ich nicht aufhören, an dich zu denken. Als hätten sie diesen Song über dich geschrieben.“
Erst jetzt sah Mariah ihn richtig an. Er trug Jeans, Turnschuhe und ein T-Shirt. Und er sah aus, als hätte er sich
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