Im Netz Der Schwarzen Witwe
Distanz zu ihr geblieben. Aber die Mindestentfernung, die er zu ihr halten sollte, betrug einige Meilen. Es wäre besser gewesen, wenn er das Hotel gar nicht erst verlassen hätte.
Aber das schaffte er nicht. Es gelang ihm einfach nicht, sich von ihr fernzuhalten.
Zwei Abende zuvor, ehe er sich auf den Weg gemacht hatte, um Serena abzuholen, hätte er Mariah beinah in die Arme geschlossen und ihr alles gestanden. Er wollte ihr offenbaren, wer er wirklich und vor allem, was er war. Und er wollte sie küssen, bis sie miteinander verschmolzen und die Zeit stillstand.
Stattdessen brach er auf, um sich mit Serena zu treffen. Auch den gestrigen Nachmittag hatte er schon mit ihr verbracht und sich absichtlich von Mariahs Strandhaus ferngehalten. Sie hatten ein frühes gemeinsames Abendessen im Hotelrestaurant genossen, in dessen Verlauf er die ganze Zeit an Mariah dachte, während Serena ihm von ihrer erfundenen Vergangenheit erzählte. Angeblich hatte sie für die Heilsarmee in Afrika gearbeitet. Jedenfalls war er längst nicht so aufmerksam gewesen, wie er hätte sein müssen.
Nach dem Abendessen tranken sie etwas auf der Restaurantterrasse. Dabei bemerkte er, wie Serena ihn beobachtete, während sie auf die Beantwortung irgendeiner Frage wartete.
Er fühlte sich ertappt, denn er hatte nicht die leiseste Ahnung, worüber sie gerade gesprochen hatten. Das war beängstigend. Er war nicht auf seine Arbeit konzentriert. Stattdessen sehnte er sich die ganze Zeit danach, mit Mariah zusammen zu sein.
Die Macht, die sie bereits über ihn besaß, machte ihm wirklich Angst, deshalb tat er das einzig Sinnvolle, was ihm in diesem Moment einfiel – er schloss Serena in die Arme und küsste sie.
Er küsste sie wild, in dem Bemühen, alle Gedanken an Mariah zu vertreiben. Ständig schien sie irgendwo in seinem Hinterkopf zu lauern, und das musste aufhören. Vergeblich bemühte er sich, ein gewisses Maß an Leidenschaft aufzubringen. Doch obwohl Serena ihren trainierten Körper an seinen presste und den Kuss begeistert erwiderte, fühlte er hinterher nur bittere Kälte. Wieder einmal musste er daran denken, welches Verlangen Mariah mit einem einzigen Blick in ihm entfachen konnte.
Nein, es hatte ihm nicht gefallen, Serena Westford zu küssen, aber sie schien es nicht zu bemerken. Als er jetzt auf sie zuging, betete er im Stillen darum, sie nicht noch einmal küssen zu müssen.
Zum Glück hielt sie ihm nur ihre Wange zur Begrüßung hin und schenkte ihm Kaffee aus einer silbernen Kanne ein, als er sich neben sie setzte.
„Guten Morgen“, sagte sie. Er wusste, dass ihr britischer Akzent nicht echt war, doch im Gegensatz zu den meisten Amerikanern, die in unecht klingenden britischen Akzent verfielen, hatte Serena sich offenbar perfekt vorbereitet. Wahrscheinlich hatte sie sich Übungen angehört, als würde sie eine ganz neue Sprache lernen. „Hast du letzte Nacht gut geschlafen?“
„Wie ein Baby“, log er. Tatsächlich hatte er stundenlang an die Decke gestarrt und an Mariah gedacht. Und als er endlich doch eingeschlafen war, hatte ihn nicht sein Albtraum noch vor Tagesanbruch geweckt, sondern ein viel zu realistischer erotischer Traum. In dem Traum sah er sich und Mariah eng umschlungen auf der Couch, nackt, während sie sich für ihn öffnete …
Benommen und orientierungslos war er aufgewacht und hatte voller Begierde die Hand nach ihr ausgestreckt. Natürlich war sie nicht da.
Serena musterte ihn mit ihren katzengleichen grünen Augen. Es wurde Zeit, die nächste Stufe dieses Spiels einzuleiten, beschloss John. „Ich habe heute mit meinem Arzt gesprochen“, sagte er und stellte sich darauf ein, dass Serena ihn aus Freude über seine angeblichen guten Nachrichten erneut küssen würde. „Er hatte die Ergebnisse meines jüngsten Bluttests vorliegen. Bis jetzt sieht es ganz danach aus, als könnte ich die Krankheit besiegen.“
„O Jonathan, das sind wundervolle Neuigkeiten“, entgegnete Serena. Und tatsächlich, sie beugte sich zu ihm hinüber und küsste ihn.
Wie schon beim letzten Mal wünschte John, er würde stattdessen Mariah küssen.
Vor dem Hotel stand ein Krankenwagen, bei dessen Anblick Mariahs Herzschlag sich beschleunigte. Unwillkürlich malte sie sich ein Schreckensszenario aus. Die Sanitäter waren wegen Jonathan dort. Seine Krankheit war erneut ausgebrochen. Er würde sterben. Er war schon tot.
Sie blieb unvermittelt stehen. Das war Unsinn und außerdem höchst unwahrscheinlich. Solche Sachen
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