Im Netz Der Schwarzen Witwe
Ihr Ton änderte sich. „Hat Jonathan dir gegenüber etwa erwähnt, dass er heiraten will?“
„Nein.“
„Na siehst du. Wir sind nur gute Freunde. Du bist doch seine Freundin. Kann ich da nicht auch mit ihm befreundet sein? Wirklich, Mariah, es ist nichts Ernstes. Der Mann hat mich bloß geküsst, mehr war da nicht“, versicherte Serena ihr. „Dabei hatte er reichlich Gelegenheit, mit zu mir zu kommen oder mich mit zu sich zu nehmen. Aber er hat sie nicht genutzt.“ Nach einer Kunstpause fügte sie hinzu: „Noch nicht.“
Jonathan hatte Serena geküsst. Unwillkürlich musste Mariah gegen die aufsteigende Eifersucht und den Schmerz ankämpfen. „Für dich mag es ja nichts Ernstes sein, aber …“ Inzwischen kannte sie Jonathan ganz gut. „Für Jonathan ist alles ernst. Er ist in vielerlei Hinsicht empfindlich. Sein Krebs hat ihn verletzlich gemacht. Außerdem plagen ihn noch diese schrecklichen Albträume.“
„Willst du mir etwa Angst machen? Oder mir Instruktionen geben, wie ich am besten seine Hand halte und ihm nachts warme Milch mache, wenn er schlecht geträumt hat?“
„Das sind nicht einfach schlechte Träume, sondern brutale, grausame Albträume. Hat er dir nichts davon erzählt?“
„Vielleicht hat er Angst, mich zu verschrecken, wenn er mir all seine dunklen Geheimnisse anvertraut“, meinte Serena.
Möglicherweise vergeudete er aber auch bloß keine Zeit mit Reden, wenn er mit Serena zusammen war.
„Er sollte wissen, dass ich mir nicht so leicht Angst machen lasse“, fügte Serena hinzu. „Wovon handeln die Albträume? Von seiner Krankheit?“
„Nein. Ein Freund von ihm war Detective bei der Polizei, der im Dienst getötet wurde. Das verfolgt ihn.“
„Na, ist das nicht interessant“, murmelte Serena. „Ein Detective bei der Polizei, sagtest du?“
„Jonathan hat gesagt, sein Freund – er hieß Tony – war Polizist. Tony wurde auf den Befehl eines Gangsterbosses hingerichtet.“
„Tja, damit bekommt das Spiel eine ganz neue Dimension.“
„Serena, wenn das für dich nur ein Spiel ist …“
„Das ganze Leben ist ein Spiel“, sagte Serena. „Man spielt es, dann stirbt man. Egal, nach welchen Regeln man spielt, der Tod ist die einzige Gewissheit. Früher oder später stirbt jeder. Einige früher. Wenn der Krebs Jonathan nicht umbringt, dann wird er vielleicht von einem Bus überfahren. Wer kann das schon wissen?“
„Es ist schrecklich, so etwas zu denken!“
„Ach bitte, Mariah. Man muss nicht immer alles nur durch die rosarote Brille sehen.“
„Vielleicht solltest du doch lieber nicht zurückkommen, wenn du heute fährst.“
Serena lachte. „Kann durchaus sein, dass ich bleibe.“ Dann fragte sie: „War das schon das Übelste, was du zu mir sagen kannst?“
Mariah schaute auf den Ozean und verkniff sich die Worte, die ihr eigentlich auf den Lippen lagen. „Nein“, gestand sie, „aber schließlich sind wir Freunde. Ich will nichts sagen, das …“
„Hast du eigentlich das Negativ von dem Foto schon aus dem Labor zurückbekommen?“, unterbrach Serena sie.
„Nein, ich war noch nicht …“
„Also muss ich ja wohl wiederkommen.“ Serena klang verärgert. „Bitte sorg dafür, dass du es morgen hast. Ich komme vorbei und hole es ab.“
„Morgen? Das geht nicht …“
Doch Serena hatte bereits ohne ein Wort des Abschieds aufgelegt.
8. KAPITEL
I n Mariahs Strandhaus brannte noch Licht.
John stand am Strand und sah zu dem Haus. Er wünschte, er könnte schlafen. Er wünschte, er hätte den Versuch nicht aufgegeben und wäre nicht aus dem Bett aufgestanden. Er wünschte, er hätte Princess nicht geweckt, um mit ihr an den Strand zu gehen. Er wünschte, er wäre in eine andere Richtung gegangen.
Vor allem aber wünschte er, er könnte die Erinnerung an Mariahs Gesicht aus seinem Gedächtnis tilgen, als sie sich am Mittag von ihm abgewandt hatte. Der Schmerz und die Enttäuschung in ihren Augen hatten sich in sein Gedächtnis gebrannt, und nun konnte er diesem Bild nicht mehr entrinnen.
Nein, er hätte nicht herkommen sollen.
Doch irgendetwas hatte ihn in diese Richtung gezogen. Eine starke Kraft, der er nicht widerstehen konnte.
Heute Abend war nichts richtig gelaufen. Eigentlich hatte er Serena zum Abendessen ausführen und ihr bei dieser Gelegenheit einen Heiratsantrag machen wollen. Aber sie rief vorher an und hinterließ auf seinem Anrufbeantworter die Nachricht, dass sie die Verabredung absagen müsse. Sie erklärte weder, wohin sie
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